Rüstungsherstellung
Wie wurde eine Plattenrüstung eigentlich hergestellt? Die Frage ist nicht nur für den Träger einer solchen interessant, sondern auch für diejenigen die Handwerker spielen und sicher ist es auch nett, wenn man als Kämpfer oder Schmied ein wenig fachsimpeln kann. Das hier soll keineswegs irgend etwas zum Standard erklären, sondern schlicht zeigen, wie sowas im Idealfall ausgesehen hat.
Eine weit verbreitete Idee im Larp scheint zu sein, das auch der Dorfschmied Waffen und Rüstungen hergestellt hätte. Abgesehen von Zunftregeln die so etwas schlicht verboten, hatte dieser auch nicht das Wissen um die nötigen Techniken und nicht die nötigen Werkzeuge. Plattner schmieden eher wenig, ihre Techniken sind andere. Hier werden etliche Plattnertechniken sehr gut erklärt. Was oft mißverstanden wird ist das Treiben. Auf Bildern ist oft zusehen wie der Plattner das Werkstück während der Bearbeitung in der blossen Hand hält und man muss davon ausgehen das die meisten Stücke kalt bearbeitet wurden. Allerdings ist es bei allen Teilen durchaus nötig diese wieder weichzuglühen, da die Bearbeitung dazu führen kann das sie ungewollt hart werden. Nur bei sehr dickem Material wird auch warm getreiben was dann an sich wieder eher schmieden ist. Ebenfalls damit verwechselt wird das Drücken oder Aufziehen. Hierbei wird nicht die Mitte immer weiter ausgetreiben sondern die Ränder werden bearbeitet. Vor allem bei Helmen hätt das Treiben den Nachteil, dass die Kalotte die geringste Materialstärke aufwiese. Wie genau die Technik funktioniert, kann man auf folgenden Links gut sehen (wobei das die historisch korrekte Herstellungsart wäre, heute aber so gut wie alle Helme aus zwei Teilen zusammengefügt werden, was auch für die heutige Nutzung kein Nachteil ist. Wirklich aus einem Teil geschlagene Helme kosten einige Tausend Euro):
Fast alle anderen Teile der Rüstung werden aber tatsächlich getrieben. Folgend Beispiel demonstriert das ganz gut:
Herstellung eines Ellenbogenschutzes
All dies konnte der normale Dorfschmied eben nicht. Bereits im Hochmittelalter gab es den spzialisierten Beruf des Helmschmiedes der auf diese Techniken spezialisiert war und mit dem Aufkommen der Plattenrüstung eben zum Plattner wurde der alle Arten von Rüstungsteilen fertigte. Im Heiligen Römischen Reich beschränkt die Zunftordnung die Größe der Werkstätten. Ein Plattnermeister durfte maximal drei Gesellen haben, während in Italien Manufakturen entstanden, die im großen Stil Rüstungen herstellten und über Händler in ganz Europa verkauften.
Die Bandbreite an Preis und Qualität war enorm. Es gab einfache knechtische Harnische die man fast überall von der Stange kaufen konnte, andererseits gab es Maßfertigung die Monate dauern konnte. Hierbei wurde dem Plattner gerne ein Satz Kleidung gesandt damit er die Rüstung an diese Maße anpassen konnte.
Im Laufe des Spätmittelalters kam auch eine immer größere Spezialisierung der Herstellung auf. Waren die frühen Helmschmiede von der Herstellung des Bleches bis zur kompletten fertigstellung für jeden Schritt zuständig, konnten die späteren Plattner fertige Bleche bezihen und die fertig geschlagenen Harnische an eine Harnischmühle weitergeben wo diese auf mannsgroßen Schleifsteinen und Lederbezogenen Pliestscheiben geschliffen und poliert wurden. Auch dadurch konnten die Arbeitszeiten enorm verringert werden.
Rüstungen reparieren
Im Larp sieht man gerne wie eine Rüstung die "beschädigt" wurde auf einen Amboß gelegt wird. Die Frage ist hierbei was soll damit simuliert werden? Bei einem Loch kann man mit den damaligen Techniken und auf die schnelle, allenfalls wieder ein wenig die Ränder schließen. Ein Schweißgerät um das ganze kurz zu flicken fehlt. Feuerverschweißen ist auch schlecht möglich, da dies bedeuten würde die Rüstung wieder schleifen und polieren zu müssen und die Qualität an sich leidet. Es wäre vermutlich einfacher ein solches Stück komplett zu ersetzen. Allerdings gibt es Beispiele von Metallflicken die aufgenietet wurden, diese wurden dann aber sorgfältig verschliffen und es ist oftmals fraglich ob es nicht einfacher wäre das betreffende Stück gleich ganz auszutauschen. Ist das Rüstungsteil gehärtet, wird es ohnehin kein Loch geben sondern einen langen Riß der noch schlechter zu reparieren ist.
Eine andere Möglichkeit ist das Ausbeulen. Das ist sicher auch im Feld machbar, benötigt zudem nicht mal eine Wärmequelle. Allerdings ist auch das nur bei ungehärteten Stücken möglich, gehärtete bekommen keine Beulen.
Ohne Zweifel dürften die allermeisten Beschädigungen im Feld ausgerissene Niete und Riemen gewesen sein. Einfach weil dies die schwächsten Punkte waren. Wer also sinnvoll die Reparatur einer Rüstung darstellen will, ohne eine passende Werkstatt mitzuführen, kann dies tun imdem er sich um solche kleinen Schäden kümmert die trotzdem enorm wichtig sein können. Eine Brustplatte mit beschädigtem Schulterriemen ist nahezu untragbar.
Härte von Rüstungen
Ein wesentlicher Faktor in Diskussionen, wie "gut" historische Rüstungen tatsächlich geschützt haben (z.B. gegen Pfeile) bzw. wie "authentisch" LARP-Rüstungen sind, ist die Härtung.
Was ist das überhaupt? Ich zitieren mal die (Stahl) Wikipedia Das wichtigste Härtungsverfahren ist die Umwandlungshärtung. Hierbei wird das Werkstück soweit erwärmt, dass sich das bei Raumtemperatur vorliegende α-Eisen (Ferrit) in γ-Eisen (Austenit) umwandelt. Im Austenit kann wesentlich mehr Kohlenstoff gelöst werden als im Ferrit (siehe Eisen-Kohlenstoff-Diagramm). Schreckt man den kohlenstoffreichen Austenit nun ab, kann der Kohlenstoff nicht mehr aus dem Gitter diffundieren. In der Folge ordnen sich die Eisenatome nicht mehr kubisch - raumzentriert an, der Kohlenstoff verspannt das Gitter. Man spricht von einem tetragonal-verzerrten Gitter (Martensit). Eine wichtige Rolle bei dieser Art der Härtung spielt die Abkühlgeschwindigkeit. Je größer die Unterkühlung (Temperaturdifferenz), desto mehr Martensit bildet sich. Gesteuert wird die Umwandlungsgeschwindigkeit durch unterschiedliche Abkühlmedien (Wasser, Öl oder Luft). Weiterhin wichtig ist die chemische Zusammensetzung des Stahls. Um einen Stahl zu härten, muss er einen Kohlenstoffgehalt von mindestens 0.3% besitzen.
In der Praxis sieht das ganze so aus das der Stahl rotglühend abgeschreckt wird wobei die Art des abschreckens die späteren Eigenschaften mitbestimmt. Im Wasser wird sehr schnell abgeschreckt und der Stahl wird sehr hart, in Öl abgschreckt geht es etwas langsamer die Gefahr dess verziehens oder gar reißens ist aber geringer. Beide Methoden bringen aber zu harte und spröde Ergebnisse für Rüstungen daher wird die Rüstung noch einmal erwärmt, aber nicht in den Bereich des Glühens und dann abgekühlt. Durch dieses "anlassen" entspannt der Stahl ein wenig und wird gleichzeitig hart und flexibel. Auch ohne exakte Temperaturmessung kann sich der Schmied an den Glüh- und Anlassfarben orientieren die auch heute noch bei metallverarbeitenden Berufen zum Grundwissen zählen. Dadurch wussten Mittelalterliche Handwerker sehr genau was sie beim härten taten und haben meistens sehr genaue Ergebnisse erzielt.
Die allermeisten Plattenrüstungen im LARP sind aus "Standard"-Stahl gefertigt, S235JR (früher unter der Bezeichnung St37 bekannt, Baustahl oder aus einem diesem in den Eigenschaften sehr ähnlichen Stahl. Dieser üblicherweise verwendete Stahl weist eine Härte von 114-209 Brinell (HB) bzw. von 120-220 Vickers (HV) auf, sowie eine Zugfestigkeit von ca. 340 - 470 N/mm² (daher auch die Bezeichnung St37 - die "Sollzugfestigkeit" läge bei ca. 370 N/mm²). Einige Plattner verwenden stattdessen einen modernen Tiefziehstahl, da sich dieser sehr gut zum Kaltverformen bzw. Schmieden eignet.
Zum Vergleich: Ein moderner Stahl, wie 42CrMo4 Vergütungsstahl, hätte eine Brinellhärte von ca. 353-412 HB und eine Vickers-Härte von 372-434 HV, bei einer Zugfestigkeit von bis zu 1220 N/mm² - allerdings sind diese Art von Stählen für einen Rüstungsschmied kaum zu verarbeiten. Moderne Stähle die den historischen Materialien in Härtbarkeit und Eigenschaften halbwegs nahekommen sind Stähle wie C45, C60 und C75. Diese Stähle werden aber nur von wenigen Plattnern angeboten, da die Verarbeitung erheblich aufwändiger ist als bei den vorgenannten Sorten.
Wie schneiden dazu im Vergleich "echte" Rüstungen ab?
Es gibt eine sehr umfassende Untersuchung zu diesem Thema, publiziert ind em Buch "the Knight and the Blast Furnace, die Hier zumindest teilweise eingesehen werden kann. Die weiteren Daten beziehen sich auf die Ergebnisse dieser Untersuchung, bei der hunderte Rüstungan in beinahe allen wichtigen Museen und aus mehreren Jahrhunderten metallurgisch untersucht wurden.
Natürlich ist die Härte oftmals bei den Werkstücken sehr uneinheitlich; im Gegensatz zu modernen Härteverfahren waren die wissenschaftlichen Grundlagen einfach nicht vorhanden, aber wie oben beschrieben konnte man sich bei der bearbeitung auf Glüh- und Anlassfarben verlassen. Dennoch waren die Materialeigenschaften ein Unsicherheitsfaktor. So gibt es Stücke, die ordentlich gehärtet wurden, deren Kohlenstoffgehalt mit 0,1 % für eine Härtung zu gering sind. Auch aus diesem Grund wurden Rüstungen oftmals geprüft bevor sie eine Beschaumarke der Stadt erhielten.
Die Härtung von Rüstungen kommt recht spät allgemein in Gebrauch und wird nur nördlich der Alpen in vollem Aufwand betrieben. Der leichtere gotische Harnisch macht ein gut gehärtetes Material unverzichtbar, während die schwereren italinienischen Harnische damit auskamen den Stahl lediglich an der Luft abkühlen zu lassen, was eine geringere Härtung mit sich bringt. Dennoch weisen schon sehr frühe Plattenteile Härtegrade zwischen 75 und 430 HV auf. Der berühmte "Pembridge"-Topfhelm hat eine Oberflächenhärte von 430 HV, der Plattenrock von Küssnach (auf 1352 datiert) eine durchschnittliche Härte von 390 HV. Später wurden die Ergebnisse der Härtung besser und konsistenter - ein Helm von ca. 1492 von Lorenz Helmschmied weist eine Durchschnittshärte von 525 HV auf; im Durchschnitt lagen die Rüstungen dieser Zeit wohl zwischen 240 und 441 HV. Andere bekannte Meister erreichen einen ähnlichen Durchschnitt. Im italienischen Raum liegen die Durchschnitthärten, wie erwähnt geringer. Hier liegen die Durchschnittshärten zwischen 120 und 250 HV, wobei aber auch das wohl härteste bekannte Rüstungsteil aus Italien stammt: eine Unterarmröhre, die eine Härte von 868 HV aufweist und somit viel zu spröde für eine Benutzung ist.
Ergänzend hierzu ein Auszug aus einer Tabelle der obengenannten Untersuchung, welche Kraft ein Stoß mit einer Spitze bei senkrechtem Stoß benötigt, um eine Rüstung zu durchstoßen und mindestens 40 mm einzudringen, also eine wirkliche Verletzung zu erzielen. Die Daten sind ebenfalls dem Buch "the Knight and the Blast Furnace" entnommen, die physikalische Herleitung der Werte ebenda.
- Billige Rüstung aus einem Zeughaus 2 mm: 131,25 Joule
- Mailänder Harnisch 2 mm: 192,5 Joule
- Gotische Harnisch 2mm: 262,5 Joule
- Billige Rüstung 3 mm: 225 Joule
- Mailänder Harnisch 3 mm: 330 Joule
- Gotischer Harnisch 3 mm: 450 Joule
- Leder: 30 Joule
- Cuir boille: 40 Joule
Dazu die Kräfte eines solchen Stoßes:
- Schwert: 60 - 130 Joule
- Langbogen: 80 Joule
- Armbrust: bis 200 Joule
Gegen Kugeln sieht es etwas anders aus, da Schusswaffen Kräfte zwischen 250 (Handbüchse 14. Jhdt) und 3000 Joule (Muskete nach 1525 mit gekörntem Pulver) aufbieten können, Dafür ist die ist aufgrund der größeren Fläche die Widerstandskraft entsprechend höher, zwischen 562,5 Joule für den 2 mm-Zeughausharnisch und 2550 Joule für den gotischen 3 mm-Harnisch, was zum Beispiel einer Muskete, die mit altmodischem Pulver geladen ist, oder einer Arkebuse standhält.
Daraus wird sichtbar, dass die meisten "echten" Rüstungen eine sehr viel größere Härte aufweisen als die "normalen" LARP- (oder auch die meisten Reenactment-) Rüstungen und die Eigenschaften nahe an denen von Hochleistungsstählen liegen. Der Effekt dieser größeren Härte ist eine Widerstandsfähigkeit, die etwa dem Zwei- bis Dreifachen eines ungehärteten St37 entspricht. Man muss sich also vorstellen, dass das "gehärtete" Äquivalent einer 1,5 mm-Rüstung etwa einer Stärke von 3 mm bis 4,5 mm "ungehärtet" entspricht. Dann wird auch klar, weshalb z.B. Beschussversuche mit "ungehärteten" Rüstungen durchaus nicht die realhistorische Wirklichkeit reflektieren.
Aus obiger Tabelle ist aber auch der Grund für den Niedergang dieser Handwerkskunst zu erkennen. Eine billige Rüstung mit 3 mm Stärke ist einer hochwertigen, gehärteten Rüstung nahezu ebenbürtig. Es ist aber erheblich günstiger, einfach dickere Rüstungen zu fertigen und somit ist, spätestens nachdem die Soldaten uniform ausgerüstet wurden, die Zeit der hochwertigen Rüstungen vorbei. Nach 1550 sind kaum mehr gehärtete Rüstungen zu finden, dafür gibt es Pikenierharnsiche mit 4 mm Materialstärke und mehr.
Der Plattner Peter Müller hat in Zusammenarbeit mit Jens Sensfelder (einem Hersteller hervorragender Armbruste) einen Beschusstest auf eine gehärtete Rüstung durchgeführt. Der Test wurde unter Überwachung von Ingenieuren der TH(?) Ingolstadt mit Hilfe von Hochgeschwindigkeitskameras durchgeführt. Es wurden je ein Schuss mit einer ungehärteten und einer gehärteten Bolzenspitze abgegeben. Beide Trefferstellen haben einen Durchmesser von unter 2 mm und keiner der beiden Bolzen konnte die Rüstung durchdringen. Vom gehärteten Bolzen steckt noch ein Splitter in der Rüstung. Ein genauer Bericht zu diesem Beschusstest wird nächstes Jahr in der Zeitschrift Karfunkel "Combat" veröffentlicht. Interessanterweise bestellen die meisten Living-History-Leute ungehärtete, während alle seine Kunden aus dem LARP-Bereich unbedingt gehärtete Rüstungen haben wollten. Nicht schwer zu verstehen, wenn man bedenkt, dass die gehärteten Rüstungen dank dünneren Blechs einen deutlichen Gewichtsvorteil haben. Der Beschußtest kann online eingesehen werden.
Der kanadische Plattner Eric Dube, übrigens auch ein Liverollenspieler hat eine ganze Reihe hervorragender Videos ins Netz gestellt, die die Herstellung einer Rüstung überaus anschaulich demonstrieren:
Hier noch ein amerikanisches Forum, in dem Patrick Thadden Schritt für Schritt Bilder eines Komplette italienischen Harnischs zeigt zeigt, den er hergestellt hat. Sehr viele detaillierte Fotos. Außerdem hätte ich noch diese Liste hervorragender Plattner, ein Blick in deren Galerien zeigt noch weitere hervorragende Repliken
Erstellt von: AndrejPfeifferPerkuhn auf Grundlage eines älteren Eintrages
Siehe auch: SchmiedeWissen
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