Revision 2 vom 2017-12-18 19:16:01

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Meinung/Charakterdarstellung/Realistischer_Ritter

Ein Realistisches Ritterkonzept

Disclaimer

Dieser Artikel nimmt nicht in Anspruch, eine Regel für "das Larp" aufzustellen.

Er soll dazu dienen, Spielern, die feudale Hintergründe bespielen (also das klassische "Fäntelalter" und Histolarp) eine eine einfache Anleitung zu geben, wie ein Ritter in der echten Feudalzeit (also im Mittelalter) lebte. Daraus kann sich jeder etwas für sein Spiel mit nach Hause nehmen. Wenn ich im Folgenden von "dem Larp" spreche meine ich also Fantasylarphintergründe mit starken Elementen des Feudalsystems.

Ich habe mich im Laufe meines Studiums (Geschichte) intensiv mit dem Phänomen beschäftigt, falls jemand meine Quellen haben möchte, kann ich gerne eine Literaturauswahl angeben.

Mir ist in meiner gesamten "Larpkarriere" öfter aufgefallen, wieso mir das Spiel von vielen anderen Larprittern - gelinde gesagt - nicht gefällt. Was man da meistens sieht ist ein wilder Mischmasch aus Hollywood, ZDF-History und überholten Romantikklischees des 19. Jahrhunderts, garniert mit einer triefenden Soße biedermeierschem Knigge-Benimmcodex. Schlicht und ergreifend "larpig", das Ganze.

1. Was mich stört

Viele Larpritter scheinen Ritter zu spielen, damit sie in hübscher Klamotte am oberen Ende der Tafel sitzen dürfen und jeder Knecht erfürchtig "Guten Morgen Herr Ritter" sagt. Wenn es in die Schlacht geht steht man in seiner geilen Rüstung herum und palavert ein bisschen, während die Knechte - ja was machen Knechte denn so? - naja irgendwas knechtisches machen, bis die Herren sich nach ewigem Gerede dazu entschließen, den Hintern endlich mal hinfortzubewegen.

Im Lager glaubt man, dass jeder Knecht einem Untertan ist und man fröhlich herumkommandieren kann (ein Grund, warum in solcherlei Larpgefilden auf einen Indianer gefühlte hundert Häuptlinge kommen) Wenn mal in Ritterbruder nicht gerade im feinen Tanzzwirn, sondern in halb abgelegter Rüstung herumläuft (im Feldlager!) wird nachgefragt, was das denn soll. Statt sich normal zu unterhalten sitzt man bedröppelt und fein leise mit gefalteten Händen (wie es sich vielleicht im Biedermeier für den Preußischen Offizier gehört hat) an irgendeiner Tafel herum, bis irgendeiner der Anwesenden anfängt, sich über die jeweilige Lieblingstugend zu auszutauschen. Der Knappe wird als besserer Dienstbote behandelt und mehr als Wein schleppen steht für ihn nicht auf dem Programm. Mein Gott ist das schlimm! Sind wir hier auf einer Höheren Töchterschule?

Ich will Ritter, die sich als das begreifen, was Ritter nunmal waren: Professionelle Gutsverwalter, Ausübende von Herrenst und Berufskrieger. Wer die Gesellschaftstanzabteilung eines Offizierschorps mit Knigge-Kurs bespielen will, die nur Damen Hofieren und Ringelreihen kennt, soll das gerne tun, nur nennt es halt bitte nicht "Ritter".

2. Was bringt ein Ritter nun mit?

Ein Ritter hat vom 7.-ca. 18. Lebensjahr eine intensive und harte Ausbildung zum Kampf mit verschiedenen Nahkampfwaffen, zum Reiten, Bogenschießen, Armbrustschießen, zum laufen, schwimmen, klettern und zur Jagd gemacht. Er hat bei seinem Vater, bei seinen Verwandten und dessen Freunden (alles Ritter) gesehen, wie man ein Gut verwaltet, wie man zwischen seinen Untergeben Recht spricht, wie man sich gegenüber seiben Herren verhält.

Diese Aspekte werden nicht kanonisch oder per Buch beigebracht, sondern weil der Knappe seinen Ritter oder Edelknecht bei dem er lernt, Tag und Nacht begleitet und ihm zusieht!

Sobald der Knappe alt genug ist und erbt, lebt er mit seiner Familie und seinem Gesinde auf einem Festen Haus oder einer Burg. Er lebt, isst und schläft mit seinen Untergebenen in ein und dem selben Raum, Tag um Tag, Jahr um Jahr. Seine Untergebenen, die ihm bei der Verwaltung seines Gutes behilflich sind, sind immer bei ihm und begleiten ihn, egal wohin es gerade geht (ja, auch zu einem Hoftag, GERADE dort hin! Dort trifft man nämlich im Zweifel andere Leute, mit denen man Stress hat und loyale Menschen, die gut mit Knüppeln umgehen können sind da öfter mal eine große Hilfe.) Das Gesinde gehört zur so genannten familia, d.h. zur erweiterten Großfamilie. Man hat seinem Gesinde gegenüber zwar Rechte aber auch bindende Pflichten, man ist für seine Leute direkt verantwortlich! Ein "volksferner" Ritter/Edelknecht ist also schon mal per Definition von vornherein völlig ausgeschlossen.

Den Ritterschlag erhält der Edelknecht eigentlich nie - den braucht er auch nicht. Von seinen Standesgenossen wird er aufgrund seiner Ritterbürtigkeit geachtet, nicht weil ihm mal irgendwer irgendwann einen blöden Gürtel umgelegt hat. Wenn er im Rahmen einer höfischen Feier oder vor bzw. nach einer Schlacht den Ritterschlag empfangen hat, hat er danach einen gewissen Ehrenvorrang, den er aber auch Ausstattungstechnisch halten muss. D.h. im Zweifel lässt er das mit dem Ritter auch wieder und ist nur X von Y und nicht Ritter X von Y.

Zum Herrenhof wird der Ritter/Edelknecht gerufen, wenn der Herr Rat und Hilfe benötigt. Meistens ist das der Fall, wenn Verträge mit anderen Herren bezeugt bzw. besiegelt werden sollen, oder der Herr Geld braucht wird - da müssen die Ritter des Herrn nämlich vorher zustimmen. Der Herr kann nicht einfach machen, was er will, da die Ritter in seinem Land - zusammen mit den Führungsschichten der Städte - diejenigen sind, die die gemeinsamen Beschlüsse im Land umsetzen.

Danach wird noch ein bisschen mit dem Herrn gesoffen und gut ist. Tanzen, Minnesang, Tugenden und all sowas ist etwas für die wirklich Adeligen Herren (also ab Graf aufwärts), die die Muße für sowas haben. Ein Ritterbürtiger hat sich um seine Familie, sein Haus und seine Güter zu kümmern, für höfischen Krimskrams hat er schlicht keine Zeit. Abgesehen davon, dass er das nie irgendwo gelernt hat verlangt das auch keiner von ihm!

Eine weitere Hauptaufgabe des Ritters ist, seinen Herrn zu vertreten, indem er als sog. Vogt, Drost oder Amtmann den Gerichtstag auf einem Dorf oder Gut seines Herrn leitet, die Abgaben einsammelt und das Aufgebot befehligt. Je nachdem dient er u.a. auch als Verwalter auf einer Landesburg und wird in der Funktion Burggraf oder Burgmann genannt und erhält ein sog. Burgmannlehen (was nebenbei nicht mal in der Nähe der Burg liegen muss, geht es hier ja nur um die Einnahmen aus dem Land als Bezahlung für die Tätigkeit).

Wenn der Herr einen Krieg führt, bekommt der Ritter hierfür erstmal einen finanziellen ausgleich - der Herr will ja auch, dass seine Leute ordentlich herumlaufen und nicht auf einem Ackergaul ankommen. Der Feldzug findet nur eine begrenzte Zeit aus eigener Tasche statt. Der Ritter ist nur zur Landesverteidigung verpflichtet und nur eine gewisse Zeit im Jahr, in der Regel 6 Wochen und 3 Tage. Braucht der Herr mehr Dienstzeit und / oder geht es außerhalb der Landesgrenzen geht der Zug auf Kosten des Herrn. Da es bis in die Neuzeit aber noch keinen militärischen Versorgungsapparat gibt, muss jeder Ritter mit seinen Knechten seine Kosten auslegen und wird im Nachhinein bezahlt. Der im Larp ebenfalls verbreitete Irrglaube, ein Ritter nähme kein Geld an, ist halt auch ziemlicher Kappes, außer er kann wirklich Luft und Ehre essen.

Ist der Ritter mal knapp bei Kasse, stellt er sein Können auch anderen Herren gegen Sold zur Verfügung - mit völliger Billigung des Herren, solange er und sein Besitz aus den Kampfhandlungen ausgenommen sind. Letzteres lässt sich der Ritter im Regelfall auch vom Soldherrn verbriefen. Sold zu nehmen ist keineswegs ehrenrüchig, wieso auch? Von irgendwas muss man schließlich leben.

Der Ritterbürtige ist ein eigenständiger Herr. Meistens hält man mehrere Lehen von völlig verschiedenen Adeligen und ist sich der sich dadurch ergebenden Konflikte völlig bewusst. Dies nutzt man im Zweifel auch, um seine eigene Position zu stärken. Adelige sind im Mittelalter keine Alleinherrscher, die tun können, was sie wollen. Jedermann - auch der Landesherr - ist an Recht und Gesetz gebunden. Setzt er sich darüber hinweg, hat er ganz schnell seine igenen Leute im Haus stehen, die ihm die Fehde erklärt haben und ihn zwingen, sich ordentlich zu benehmen.

Die Rolle "Ritter" bietet so viel mehr als das, was im Larp oftmals daraus gemacht wird. sorgen wir dafür, dass sich das ändert ;)

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