Musik auf Cons - Conmusik
Musik ist ein wichtiger Bestandteil jeglicher Art von erzählerischer Tätigkeit. Sie fügt den zwei Dimensionen Szenario und Handlung eine dritte hinzu: Emotion. Jedoch nicht dargestellte Emotion seitens der Handelnden, sondern Emotion, wie sie vom Rezipienten selbst empfunden wird. Ähnlich einem Film oder Schauspiel kann Musik im LARP mannigfaltig eingesetzt werden: Sie schafft, unterstützt und formt die Stimmung der Spieler und vermag auch NSCs in eine Art des "Method-Actings" zu versetzen, so dass diese ganz in ihren Rollen aufgehen. Eine bei diesem Thema häufig gestellte Frage ist sicherlich, wie nun welche Musik zu welchem Zeitpunkt zweckdienlich eingesetzt werden kann. Dies kann natürlich in der dramatischen Untermalung einer Schlüsselszene geschehen, aber gewiss auch im unterhaltenden Aufspielen eines Sängers in der Schenke. Beides ist Musik, beides jedoch unterschiedlich in Zweck und Art; so unterschiedlich, dass Derjenige, der Letzteres für begrüßend und wunderbar stimmungsvoll hält, Ersteres als Effekthascherei verschmäht. Diese Geschmacksfrage zu klären, kann und wird nicht Ziel dieses Textes sein. Es soll aber eine Strukturierung gegeben werden, die es auch musikalischen Laien ermöglicht, Fuß im Terrain der dramaturgischen Musik zu fassen.
Wenn nun die Musik auf Cons Gegenstand einer strukturierenden Betrachtung ist, erscheint es sinnvoll, LARP unter filmischen, oder besser: dramaturgischen Gesichtspunkten zu begreifen. Sei es nun zeitgeschichtliche Dokumentation oder spannungsgeladenes Actionspektakel, episches Schlachtengemälde oder gruseliges Kammerspiel - es gibt kein LARP-Konzept, das sich dem einschlägigen Genrevergleich entziehen kann. So ist es nur sinnvoll, das Feld der LARP-bezogenen dramaturgischen Musik strukturell der Film- und Schauspielmusik zu entlehnen. Analog zu Filmmusik sei der Begriff der Conmusik geprägt - zu Beschreibung dieser Art von Musik, welche ihren Einsatz auf Cons findet; in Abgrenzung zu dem Begriff LARP-Musik, dessen assoziative Vorbelastung auf Musik schließen lässt, die LARP-Themen zum Inhalt hat. Conmusik ist also Musik auf Cons: Spielmannsmusik, Szenenmusik und dergleichen mehr.
Grundsätzlich lassen sich zwei Oberbegriffe festhalten:
Source-Musik (oder On-Musik) ist solche, die ihre Quelle in der diegetischen Realität, also auf der narrativen Ebene, hat. Barden, Spielmänner und magische Artefakte können solche Quellen sein.
Score-Musik (oder Off-Musik) ist solche, die keine benennbare Quelle besitzt. Sie wird allein seitens der erzählenden Instanz eingesetzt, um Szenen zu untermalen.
Dieses genealogische Paar bezeichnet die Herkunft der Musik und in gewisser Weise auch deren Anwendungsgebiet: Während Source-Musik eher der Spielerinitiative entspringt, wird Score-Musik beinahe ausschließlich seitens der Spielleitung eingesetzt. Ihr Einsatz ist oft eindeutig: spielt ein Barde auf, ist dies häufig Ambienteelement und nicht plotkonnotativ, also unbedeutend für den szenischen Verlauf. Ertönen dagegen bedrohliche Bassklänge aus dem Nirgendwo, haben diese meist einen klaren, stimmungsbildenden Auftrag von höchster dramaturgischer Stelle erhalten. Dass diese beiden Gebiete nicht starre Grenzen, sondern fließende Übergänge haben, zeigt sich unter Anderem bei Tanzmusik. Nicht selten wird auf Festen oder Feiern tanzbare Musik aus der Retorte beigesteuert, die dennoch "im Spiel" zu hören ist. Wenn im Nachfolgenden von "stimmungsbildender Musik" die Rede ist, muss erklärend gesagt werden, dass selbstverständlich auch Spielmänner und Barden ordentlich "Stimmung" erzeugen können. Hier bezieht sich "Stimmung" jedoch allein auf die Spannungskurve einer Erzählung. Aus der Regieperspektive zählt ein Barde eher zur Ausstattung (ergo Ambiente), als das er dramaturgische Bewandtnis hat.
Unabhängig der Herkunft können zwei Arten der erzählerischen Conmusik unterschieden werden:
Bereichsmusik (basierend auf der Mood-Technik der Filmmusik) als Musik, die durch eigenen Affekt die Stimmung eines Bereichs oder einer Szenerie steuert. Bereichsmusik zeichnet sich durch eine durchgängige Stimmungslage aus, die keiner, oder nur wenig Schwankung unterworfen ist. Ende und Anfang gleichen sich, um Wiederholung möglich zu machen. Variationen treten nicht oder wenig auf, da die Handlung in den meisten Fällen nicht voraus gesagt werden können. Bereichsmusik wird oft stationär eingesetzt, um die Stimmung einer bestimmten Örtlichkeit zu verstärken oder zu steuern.
Szenenmusik (vergleichbar mit dem Prinzip des Underscoring) dient zur Untermalung spezieller, gestellter Szenen. Da es für die Spielleitung allerdings kompliziert gerät, den genauen Ablauf von Szene und Musik zu synchronisieren, eignet sich daher Musik mit ausdrücklichen Aktionsmomenten weniger. Stattdessen bietet sich eine ungefähre Entwicklung an, da dergestaltige Musik nicht so sehr den sekündlichen Ablauf einer Szene verlangt.
Musik dieser beider Art kann auf dreierlei Weise eingesetzt werden:
Paraphrasierung nennt man ihr Verwenden, wenn eine Szene oder ein Ort mit eindeutig festgelegter Stimmungslage in ihrer Aussage durch Musik mit ähnlich bis gleichem Charakter verstärkt wird. Dies ist der klassische Einsatz von Conmusik.
Kontrapunktion ist eine Methode, bei der Szene oder Ort durch Musik ironisiert, und so nicht selten ins Gegenteil verkehrt werden. Dies geschieht beispielsweise, wenn ein eigentlich finstrer Raum mit fröhlichen, oder aber ein rauschendes Fest mit makabren Klängen vertont werden. Es ist bei so etwas jedoch viel Fingerspitzengefühl gefragt: Einerseits sollte sich die Spielleitung der genauen Bedeutung der Szene oder der Szenerie bewusst sein, andererseits ist es kompliziert, ein entsprechendes Musikstück zu wählen, welches in besagter Verbindung eine derartige Aussage macht. Ein elegantes aber ebenso schwieriges Verfahren.
Polarisierung wendet man an, wenn einer neutralen Örtlichkeit oder Szene durch Musik eine eindeutige Stimmung zugewiesen wird. Dieses Verfahren bietet sich unter Anderem an, wenn charakteristische Änderungen eines Ortes gezeigt werden sollen.
Wohlgemerkt: Damit ein Con nicht zum wagnerianischen Musikdrama gerät, empfiehlt es sich, Musik sparsam einzusetzen. Meist reichen Akzente - sonst droht die Handlung in der Klangbrühe zu ertrinken.
--DanielJ, 08.01.2006
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