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TheatervsLarp/Diskussion


Ich bin auch grad an dem Thema gedanklich dran. Leider ist es sehr komplex, so daß ich nicht mal einfach schnell meine Ideen dazu aufschreiben kann. Ich bin jedoch dabei und habe mir Januar als Ziel genommen. Erstmal möchte ich Dir in einigen Punkten wiedersprechen, oder Dich ergänzen:

Ein sehr großer und wichtiger Unterschied zwischen LARP und Theater ist: Theater ist Kunst und LARP Selbstzweck. Im Theater mache ich Kunst für andere um genauer zu sein, fürs Publikum. Im LARP geht es, wie Du auch schon angedeutet hast, selten um die Zuschauer, sondern vor allem um mich und die Personen, mit denen ich interagiere. Im Theater habe ich eine festgelegte Geschichte. Nichts ist zufällig (möglichst wenig), die Texte sind genau festgelegt, die Reaktionen der Spieler usw. Im LARP sind nur die Ausgangslagen der einzelnen Figuren bestimmt, der Rest ergibt sich im Spiel.

Den nächsten Absatz würde ich in etwa so schreiben:

Worum geht es denn bei der Schauspielerei? Es geht darum, so zu tun als ob. Nicht mehr und nicht weniger. Ein Schauspieler tut so, als ob er ein anderer Mensch ist, er tut so, als ob er Angst, Scherzen oder Lust hat. Das ist im LARP das gleiche. Aber wie schafft es der Schauspieler, daß man ihm glaubt?

Das ist jetzt leider ein sehr weites Feld und da bemühe ich mich noch um Antworten.

Natürlich ist ein schöne Kulisse hilfreich. Im LARP kann man sie jedoch alleine wenig beeinflussen und ist da mehr auf die Veranstalter angewiesen. Viel wichtiger ist jedoch erst mal die äußere Darstellung der Figur d.h. das Kostüm (hier fast nur Gewandung genannt) und die Ausrüstung. Im Theater gibt das Kostüm sehr oft Hinweise auf die Figur, welchen Stand hat sie, welchen Beruf, welchen Charakter usw...Auch beim modernen Theater wird selten auf diese Erzählmöglichkeit verzichtet, nur daß es sich dabei oft um freiere Formen handelt. Im LARP sollte nicht darauf verzichtet werden und die Realität zeigt ja, daß auf das Kostüm ein unglaublich hoher Stellenwert gelegt wird. Fast hat man den Eindruck, das dort schon das Ende der Darstellungsmöglichkeiten ist. Im Theater fängt jetzt erst die Arbeit des Schauspielers an. Er muß sich Fragen stellen: Wer ist die Figur, die ich spielen will? Wo kommt sie her? Was hat sie erlebt? Was will sie? Wie bewegt sie sich? Wie spricht sie? Was sind herausragende Charaktereigenschaften?!! Also, wie verhält er sich in bestimmten Situationen? usw.

Hier fühle ich mich noch berufen, was dazu zu schreiben.

Auch beim nächsten Abschnitt ist mir so unwohl. Im Theater muß nicht schnell erkannt werden, welche Rolle einer spielt. Manche Figuren verraten bis zum Schluß nicht ihr Geheimnis und das ist auch gut so. Wenn der Zuschauer schon alles sofort wüßte, würde er zur Pause gehen. Ich will zumindest nicht so ein Theater sehen. „Ein guter Theaterintendant wird es vermeiden, den Herrscher und seine Untergebenen in der selben Kleidung erscheinen zu lassen.“ Dieser Satz ist leider so falsch, daß sich bei mir alles sträubt. In der Regeln hat ein Theaterintendant weder Zeit noch Interesse in die Arbeit der Ausstatter, bzw. Kostümbildner reinzureden. Nur wenn er selbst inszeniert, also Regie führt, kümmert er sich um diese Belange. Es spricht auch nicht dagegen den König in das gleiche Kostüm wie seine Untertanen zu stecken, man muß sich nur bewußt sein, was man damit erzählen will. Nicht abwegig ist es z.B. wenn man zwei Gruppen auf der Bühne hat, die in sich geschlossen sein sollen; dann ist der König zwar ein wichtiger und z.B. durchs Spiel hervorgehobener Teil der Gruppe, aber eben ein Gruppenmitglieg. Dieser ganze Text steckt für mich voller Halbwahrheiten und Verallgemeinerungen, so daß ich ihn sehr überarbeitungswürdig finde. Am deutlichsten zeigte es mir der eben zitierte Satz. Vielleicht bin ich deswegen so darauf eingestiegen.

Ich möchte Dir im Bezug auf Telling völlig recht geben. Ich empfinde es als sehr störend; man kann sich da auch fragen, warum man sich überhaupt vom PnP löst. Vielleicht sollte man eine eigene Spielform fürs LARP erfinden (die es im Theater auch schon gibt), in der ein Erzähler/Spielleichter die Geschichte erzählt und dann immer wieder seine Spieler zum „Livespielen“ auf die Spielfläche bittet.

Und zum Schluß noch mal ein Punkt der mir ganz besonders am Herzen liegt: Die Spielweise. Es wird ganz grob zwischen Film und Theaterschauspielern unterschieden. Diese Gattungen schließen sich jedoch nicht gegenseitig aus. Um es grob zu sagen: Der Theaterschauspieler muß alles etwas größer spielen, weil man in der Regeln größere Distanzen überwinden muß. Der Filmschauspieler muß „ehrlicher“ sein, weil die Kamera vieles schonungslos aufdeckt, weil der Zuschauer oft ganz dicht dran ist. Für das LARP bietet sich fast nur die filmschauspielerische Schauspielkunst an. Nur in wenigen Fällen haben wir eine annähert vergleichbare Theatersituation; vor allem wenn Figuren eine Rede halten. Natürlich hilft es da auch gewisse Theatergesetzte zu kennen. Da hilft eine Deutlichkeit in der Sprache, da hilft es zu wissen, wo man steht und von wem man gesehen wird, da kann eine überzogene „Gestik und Mimik“ unter Umständen helfen. Von einer nicht so beliebten Figur in der deutschen Geschichte ist überliefert, daß er seine Reden, vor allem seine markante Gebärdensprache viel vorm Spiegel geübt hat. Das ist vielleicht der einzige Punkt, in dem man ihn als Vorbild heranziehen kann. Auch bin ich mir sicher, daß er damit beilangen nicht der einzige war und ist. Aber wichtiger als die Gestik ist: Man sollte beim Reden das Denken nicht abstellen. „Kehre dem Auditorium nie den Rücken zu“ ist übrigens auch so eine Verallgemeinerung und damit einfach falsch. Man kann ganze Stücke mit dem Rücken zum Publikum spielen, man muß sich nur bewußt sein, was man erzählt und gegebenenfalls verliert. Auch ist diese Regel kaum bis gar nicht aufs LARP übertragbar. Ich suche nach Regeln aus dem Theater, aus der Arbeit des Schauspielers, die einem Laien weiterhelfen können; einfache, leicht verständliche und nachvollziehbare Regeln und Tips. Wenn Du willst können wir uns gerne direkter auseinandersetzten. Kongonation at web punkt de. Auch wohne ich in Wiesbaden und wenn Du noch in Mainz lebst, dann können wir uns auch gerne treffen, das macht das Gespräch leichter. Oder auch anders ausgedrückt: Wenn Du dran bleibst, dann sehe ich für mich größere Chancen bis Januar eine kleine LARPschauspielanleitung fertig zu stellen. Ich finde es sehr gut, daß Du das Thema in Angriff genommen hast, aber dieser Artikel ist für mich sehr stark verbesserungswürdig.

Es würde mich freuen, wenn Du Dich melden würdest.

20.10.06 Kingkongo

  • Hi. Ich hab im Moment nicht die Zeit, mir alles durchzulesen. Dass der Artikel verbesserungswürdig ist, glaub ich dir gerne. So wie es klingt, betreibst du das ganze auch etwas Professioneller. Ich selbst betreibe Schauspielerei eher als Hobby und in einer kleinen Gruppe mit recht bescheidenen Möglichkeiten, weswegen ich um Vorschläge dankbar bin. Ich meld mich die Tage nochmal. -- PatrickC, 21.10.06


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