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Charaktertipps/Geschichte

Charaktergeschichten

Inhalt

Einleitung

Dunkelelfen haben meine Eltern getötet. --- Klassisches Zitat am Anfang eines Textes über Larp-Charaktergeschichten.

Dass Charaktere einen Hintergrund haben, ist aus InTime-Sicht recht intuitiv: Bevor man jemanden trifft, hat er schon etwas in seinem Leben getan, er existiert nicht erst, wenn ich ihn sehe (in der Menschheitsgeschichte eine sehr moderne Neuerung im Denken).

OutTime ist das ganze nicht unbedingt so einfach. Ein Charakter kann zwar als Anlehnung an einen oder mehrere Charaktere in einem Roman entstehen. Hin und wieder findet man allerdings ein Konzept, das nicht unbedingt einen Hintergrund vorgibt oder dessen Hintergrund nicht unbedingt passt. Beispiel: bei "The Masterless Man" assoziieren die meisten Leute wohl als erstes einen japanischen Ronin. Muss aber nicht sein.

Wesentlich ist dabei auch die Balance zu finden zwischen "ausgedachter" Hintergrundgeschichte und erwartetem Erleben. D.h. im LARP sollte man versuchen, die Abenteuer zu erleben, nicht zu erfinden, die Heldentaten begehen, nicht darüber schreiben. Ein Charakter, der in seinem (erdachten) Hintergrund schon die Reiche der Drow unterworfen, die Orks ausradiert, Balrogs, Nekromanten und Todesengel im Dutzend niedergestreckt hat und zweimal Kaiser der Mittellande geworden ist, wirkt nicht nur unglaubwürdig, sondern hat auch nichts wirklich Entscheidendes mehr vor sich - wie soll eine Orga das jemals toppen? Je größer die Vergangenheit, desto kleiner die Zukunft.

Ein wunderbares Beispiel für einen "guten" Charakterhintergrund ist das Beispiel von "Ritter aus Leidenschaft": Sohn eines einfachen Dachdeckers ist als Gehilfe mit einem Ritter unterwegs. Der Ritter verstirbt irgendwann unversehens. Der Dachdeckersohn gibt sich fortan als Ritter aus. Ende des Hintergrundes und Beginn der eigentlichen Geschichte des Charakters. Jeder ausgedachte Hintergrund auf 20 Din-A-4 Seiten voller erdachter Geschichten und Abenteuer wirkt dagegen eher banal oder gar lächerlich.

Die Charaktergeschichte aus Spieler-Sicht

Wenn man etwas schriftlich niederlegt, ordnet man seine Gedanken und legt sich fest. Für einen persönlich ist das von Vorteil, weil einige dazu neigen, Konzepte weiterzuentwickeln, so dass sie hin und wieder zum Gegenteil dessen werden, als was sie angelegt waren. Beispiel: Das "Masterless Man"-Konzept wandelt sich von demjenigen, der immer unterwegs ist auf der Suche nach jemandem, den er guten Gewissens als Meister akzeptieren kann, zu einem gesetzten Familienvater, der eben jene Suche schon wieder aufgegeben hatte und erst durch einen Schicksalsschlag wieder reaktiviert werden musste. Diesen Wandel bemerkt man nicht unbedingt und er nimmt dem Konzept die "Schärfe". Mit Schärfe sei hier gemeint, dass dieser Charakter sich nicht gut von den ihn umgebenden Charakteren abhebt und damit nicht zu einem Individuum wird. Deswegen sollte man für sich eine Charaktergeschichte schriftlich fixieren, quasi als "memo to self".

Ein "Memo to self"

Wie sollte so ein Memo aussehen? Hier ein Vorschlag:

  • Welche Charakterzüge möchte man haben und darstellen?
    • Sucht Euch welche. Kleine Lexika für Schriftsteller können einem sehr helfen, den exakt passenden Begriff zu finden. Und Anfängerliteratur für Psychiater ist auch ganz hilfreich (konsultiert dafür Leseempfehlungen von Professoren des Fachs, nicht die Literaturliste der Bunten). Siehe auch die Schlagworte unter CharakterCheckliste.

  • Wodurch werden werden diese Charakterzüge im Charakterleben sichtbar?
    • Denkt Euch eine oder zwei Situationen, in denen sich diese Charakterzüge abzeichnen.
  • Legt eine Tabelle an, in der links die Motivation und rechts die Tat aufgeschrieben ist.
  • Welchen Vorbildern ist der Charakter nachempfunden? Die Namen von ein oder zwei Film-Charakteren sagen manchmal mehr aus als ein Haufen von Stichworten.

Hilfreich ist hier als Denkanstoß die umfangreiche Liste an Fragen in CharakterCheckliste, die abdecken, was einen Charakter geformt haben kann.

Über Taten und Ereignisse

Hier wurde bewusst "Tat" und nicht "Ereignis" geschrieben: Ein "Ereignis" geschieht, eine Tat wird von jemandem (in diesem Fall unserem Charakter) begangen. Wo ist der Unterschied? Bei einer Tat ist die Handlung des Charakters klar. Ein Beispiel: "Dunkelelfen haben meine Familie getötet". Ein Klassiker - aber was bedeutet das für den Charakter?

Die meisten schließen daraus automatisch "Jetzt töte ich alle Dunkelelfen, die mir in die Quere kommen". Kann sein, aber es könnte auch heißen "Jetzt meide ich jede Gegend, in denen es Dunkelelfen geben sollte". Merke: Die letzten beiden Sätze, in denen der Charakter aktiv etwas tut, sind klarer als der erste. Andere Gründe gegen diesen Plot an AndereStelle.

Wenn es darum geht, das Erlebte des Charakters in der Charaktergeschichte festzuhalten und die Cons IT mitzuschreiben, sollte man zwischen der SL-Version und der eigenen Version trennen (siehe Kapitel "Probleme einer SL").

Ein einfaches Schema

Das Auenland

Damit ist jener Zustand gemeint, in dem ein Char lebt, bevor das Ereignis eintritt, das ihn zum heutigen Char macht. Z.B. die angenehme Jugend als Zweitgeborener, Jagd, Kampftraining und die Vorbereitung auf die Rolle als Kriegsherr seines zukünftigen Thain ... Dieser Teil ist wichtig, weil er die Möglichkeit des Rückblicks schafft, "ach früher, als ich noch ...", das ist es, wofür er kämpft, wofür er lebt.

Dieser Teil ist außerdem das, was den Charakter geprägt hat; die Grundlage seiner Persönlichkeit und dessen, was aus ihm werden kann. Kinder von Bauern werden es schwer haben, Ritter oder Magier zu werden, während Kinder von Händlern wohl selten Schamanen oder Barbarenkrieger werden. Womit wir bei einem weiteren Punkt wären: Was hat der Charakter gelernt? "Abenteurer" ist kein Beruf - auch Sam war Gärtner und Frodo war ... nunja, reicher Erbe. ;)

Der Ring

Was wirft das Leben des Helden aus der Bahn?

Ist es ein Ring, ein Riesen-Wildhüter mit Geburtstagskuchen?

Was ist es, das ihn dazu gebracht hat, das "Auenland" aufzugeben?

Ja, man kann hier Drache/Ork/Drow/Dämon nehmen, aber diese Xenophobie kann auch sehr lästig sein. Bei weniger abenteuerlichen Charakteren kann es auch einfach ihre reguläre Arbeit sein, die sie in die Welt ziehen läßt.

Wichtig ist, daß man nicht immer ständig davon redet: das hier hat euer Leben verändert. Frodo redet mit Sam ja auch nicht ständig über den Ring, sondern über das Auenland, das sie wahrscheinlich nie wieder sehen werde.

Der Schicksalsberg

Jeder Charakter sollte ein Ziel haben. Ob es die Rückkehr ins Auenland ist, Reichtum oder Macht. Das ist ein langfristiges Ziel.

Bree

Und zusätzlich ein kurzfristiges Ziel Die Reise nach Bree, der Weg zur Schule der Heilung von Anchorpal, irgendwas, das man auch auf einer Con erreichen kann oder das eine SL aufgreifen kann.

Andere Gestaltungsweisen

[Nach einem Forumsartikel von "VictorMcCatarn", mit Zustimmung übernommen]. Zeigt Anleihen an die Campbellsche Heldenreise: Heroes journey, monomyth. Das zeigt auch zwei Möglichkeiten auf, den jeweiligen Helden-Charakter anzulegen: Entweder am Ende der "Separation", also nach seiner Trennung vom Althergebrachten - das bietet sich an für einen entwicklungsfähigen Charakter, vulgo: "Helden-Rohmaterial"; oder nach der "Initiation", für einen Helden mit klarer Agenda.

Das "Drow-Problem"

Schädlich an dem Dunkelelfen-Plot ist natürlich noch etwas anderes: Er setzt Dunkelelfen voraus. Noch schlimmer: Er setzt eine einheitliche Gruppe von Eltern-mordenden Dunkelelfen voraus. Mit dieser Geschichte oder ihrem Ork-Pendant ist noch jeder Anfänger baden gegangen (es gibt sie wirklich, die Anfänger mit dieser Geschichte!), weil ihm noch auf Con 1 der erste KuschelDrow in die Arme hüpft und nichts so ist, wie der Autor dieser Charaktergeschichte es sich dachte ...

Merke: Andere Gruppierungen auf ein bestimmtes Verhaltensmuster festzulegen, geht meistens schief. Aber der Fehler ist noch grundlegenderer Natur: Wieder soll dem Spieler durch eine bestimmte Konstellation der Spielwelt etwas geschehen, wieder ist er nicht selbst für das Geschehen verantwortlich. Das Problem liegt also in der Anzahl der benötigten Sätze. Warum sollte ich ein Ereignis und die Reaktion eines Charakters beschrieben, wenn ich das auch nur mit letzterer (die dann eine Aktion ist) beschreiben kann? Wenn Ihr das verdaut habt, gehen wir weiter.

Die Charaktergeschichte aus SL-Sicht

Nun zu dem Großteil der Leser, das sind ja meist die SLs des Cons, für den Ihr Euch angemeldet habt. Was will eine SL lesen und was nicht?

Probleme einer SL

Die Probleme einer SL lassen sich in zwei Worten kurz zusammenfassen: 30 Charaktergeschichten. Oder mehr. Die müssen wir SLs ja alle lesen. Wer also unbedingt eine sechsseitige Charaktergeschichte schicken muss, sollte besser dafür sorgen, daß die wirklich gut ist.

<rant>Und das ist sie meistens nicht. Es gibt Menschen, die werden von Verlagen auf Grund von wirtschaftlichen Interessen dafür bezahlt, Geschichten zu schreiben. Und selbst die sind nicht alle gut. Also, bitte, bitte, bitte, versucht nicht, eine längere Geschichte zu verfassen, ohne wenigstens einen Grundkurs in kreativem Schreiben besucht zu haben. </rant>--Tierlieb

Aber selbst, wenn die Geschichte interessant geschrieben ist: Für die SLs interessant ist sie noch nicht.

Eine SL interessiert sich für...

  • Passt der Spieler auf unsere Cons?
  • Wieso kommt der Charakter in-game hier hin?
  • Wo können wir den Charakter packen?
    • Hat er besondere Stärken, die er herausstellen will?
    • Hat er Schwächen, bei denen wir ihn packen können?
  • Will der Spieler überhaupt von uns angespielt werden?

Kurz gesagt, die SL interessiert sich für Interaktionsmöglichkeiten mit dem Spieler. Als SL liest man den Text normalerweise im Hinblick darauf, wo man mit seinem eigenen Plot an den des Spielers anknüpfen kann, wo man ihn berühren kann, um ihm ein gutes Spielerlebnis zu bieten. Andere Informationen im Text machen das Auffinden dieser Informationen schwerer. Deswegen sollte man sie, wenn möglich, vermeiden. Das schreit also nach einem eigenen Text für die SL. Wenn man genauer auf die Liste schaut, merkt man:

Diese Informationen kann man ganz einfach out-game angeben, Beispiel: "Thorolf Helgatson ist ein Geiranger Schmied. Geiranger sind Wikinger. Ich passe auf Cons mit einem geringen Anteil Fantasy, komme aber mit viel Fantasy auf NSC Seite gut klar. Wie weit die Technik entwickelt ist, stört mich nicht, obwohl weniger schöner ist. Meine Stärken sind ein enormes Selbstbewußtsein und meine Loyalität zum Hetmann. Meine Schwächen sind meine enorme Gier nach Gold und der Wunsch, selbst Hetmann zu werden. Auf irgendeinem Con wurde mein lange verschollener Bruder Bulliwyf von tortugiesischen Piraten getötet. Das hat mir zwar nicht sonderlich weh getan, aber eine Ehrenschuld ist es immer noch. Und der Rest meines Dorfes erwartet von mir, daß ich mich darum kümmere."

Fertig. 10 Sätze oder so. Und alles, was eine SL braucht. Das spart der SL Zeit.

Zusammenfassung

  • Es soll eine Charaktergeschichte entstehen, die die Motivation des Charakter beleuchtet, Ereignisse nutzt, um diese zu illustrieren.
  • Sie soll kurz und bündig sein und die Leser (meist die SL) nicht beim Lesen quälen.
  • Sie soll dem Spieler als Erinnerung dienen, was er sich vorgenommen hat.
  • Die Geschichte eines Charakters sollte nie spektakulärer sein als seine Zukunft!

Anhang

Beispiele

Ob die Beispiele nun gut oder schlecht sind, sei mal dahingestellt. Das muss jeder für sich selbst entscheiden.

Das Problem mit den Namen

Personen und Orte sind austauschbar - sagt man über fast jeden Wolfgang Hohlbein-Roman. Heißt das, man kann sie weglassen? Naja, zwei Wolfgang Hohlbein-Romane mit komplett gleichem Inhalt lassen sich eher schlecht verkaufen.

Also, Namen sind wichtig. Und dass es immer die gleichen Namen sind, auch. Zwar ist es einfacher, jedesmal neue Namen zu erfinden, aber hin und wieder vertauscht man diese. Und falls dann jemand das zweite Mal zuhört, mag es desjenigen vor allem stören, aber vielleicht passiert noch mehr: Er vermutet einen Sinn dahinter. Als SL muss man nämlich warnen: Spieler suchen immer einen Sinn dahinter! Das kann zu ganz blöden Situationen führen. Also: Haltet Eure Benamung einheitlich. Schreibt sie auf! Übrigens: Als Quellen für Namen bietet sich neben den typischen Namenslisten (z.B. von der SCA) auch das "Character Naming Sourcebook" von Writer's Digest (ISBN 1582972958).

Zum Schreibstil

Es gibt viele Texte zum richtigen Schreiben, manchmal auch von Leuten, bei denen man sich fragt, ob sie wirklich darüber schreiben sollten. Eine Auswahl von Texten:

  • Maulhelden : Ein Text über präzise Formulierungen, kurze Sätze und den Einsatz von Fremdworten. Nicht, dass sich jemand daran halten würde, aber gut gelesen zu haben ist der Text schon. Bezieht sich auf technische Dokumentationen. Von denen heben sich die hier üblichen Esssays zwar ab, aber Kürze zu lernen, ist immer gut.

  • Thud : On thud and blunder ist ein Text über Realismus in Geschichten.


Siehe auch AnfangenMitLarp, Charakterkonzept, CharakterErstellung, CharakterTipps, CharakterBogen, Meinung/Charakterdarstellung/Hintergrundgeschichte


Credits: TobiasPrinz, Section31 (ed.), NameEntfernt, kleine Ergänzungen von Hana & DanielJ