Gewandungstheorie
Inhaltsverzeichnis
Eine Gewandung ist in der Regel (egal, ob Fantasy oder nicht) gewissen Regeln unterworfen. Da sie im Fantasybereich in den meisten Fällen an einen mittelalterlichen Hintergrund angelehnt ist - und keine modernen Techniken zur Textilverarbeitung und Reinigung verfügbar sind -, kann man versuchen, die Gewandungstheorie auch auf diese Szenarien anzuwenden. (Vielleicht findet sich ja jemand in der Wiki, der fantasybewandter ist als ich und das machen könnte *g*)
Fantasy oder Historisch?
"Wir machen doch kein Mittelalter, sondern Fantasy!" - Das stimmt sicherlich, trotzdem sollte eben auch die Fantasyklamotten ein gewisses Flair und eine gewisse Stimmung verbreiten und ein stimmiges Bild erschaffen, und das tut für viele eine Schnürlederhose, ein Piratenhemd und Springerstiefel eben nicht. Es gibt auch die Möglichkeit, stimmige und schöne Fantasyklamotte herzustellen, wie man unter HdR-Gewandungen sehen kann. "Mittelalterlich" (sehr selten: "authentisch") wird gerne als Maßstab für die Bewertung von Gewandungen genommen. Das ist sicher problematisch, denn es existieren auch sehr viele schöne andere Gewandungen (man nehme hier nur die Hobbits aus dem Herrn der Ringe), aber auch diese Gewandungen zeichnen sich durch ein gewisses Konzept aus. Allerdings ist dieses Kriterium gerade bei den für Anfänger oft sehr schwierigen Abwägungen, ob etwas "passend" oder "ambientig" ist, immer noch eine der besseren Richtlinien, denn obwohl es eine Menge guter Gewandungen gibt, die nicht mittelalterlich sind, begegnen einem praktisch nie schlechte und gleichzeitig historisch korrekte Klamotten!
Im Übrigen sieht man z.B. an der Frage zum Thema "Research" in der FAQ des Fantasy-Autors George R.R. Martin, daß sich auch Fantasy-Autoren durchaus an realhistorischen Quellen orientieren.
Und: "Wir spielen doch Fantasy" ist selbstverständlich akzeptabel, wenn es denn Fantasy-Kleidung ist. Aber der Satz sollte niemals eine Ausrede sein, um moderne Kleidung, die man halt im Schrank hängen hat, im Larp zu tragen (siehe Jeans-Beispiel oben) - "modern" ist nunmal das Gegenteil von "fantastisch" und damit das letzte, das eine Larpgewandung sein sollte.
Schichtaufbau
Eine Gewandung besteht in der Regel aus mehreren Schichten - jede mit ihrem eigenen Zweck. Achja, noch eines: Rüstung ist keine Gewandung - außer vielleicht bei einem Zwerg!
- Unterkleidung
- Oberkleidung
- Überkleidung
- (Wetterschutz)
Für den Liverollenspieler empfiehlt sich ein solcher Schichtaufbau ebenfalls. Auf der einen Seite kann man leicht seine Bekleidung der Wetterlage gemäß anpassen und auf der anderen Seite bieten sich viele Möglichkeiten, seinem Charakter ein individuelles Erscheinungsbild zu geben.
Unterkleidung
Die Unterkleidung hat die Funktion, die darüber getragene Kleidung vor Schweiß und Körperflüssigkeiten zu schützen. Sie ist in der Regel aus einem Material, das den Schweiß gut aufnimmt und leicht gereinigt werden kann. Hier bietet sich insbesondere Leinen an, da dieses im Gegensatz zu Baumwolle nicht so schnell Geruch entwickelt.
Beispiel: Hemd, Bruche, Chemise, Unterrock, Unterkleid
Oberbekleidung
Die Oberbekleidung ist die eigentliche Bekleidungsschicht. Für die Oberbekleidung eignen sich eigentlich alle Stoffe (wobei ich immer noch Wolle bevorzuge)
Beispiel: Wams, Beinlinge, Hose, Überrock, Überkleid
Überkleidung
Über der Oberbekleidung wird eine weitere Schicht getragen. Diese soll die wertvollere Oberbekleidung vor Umwelteinflüssen schützen, bzw. dient bei höheren Ständen zur weiteren Repräsentation.
Beispiel: Schecke
Wetterschutz
Gegen extreme Wettereinflüsse kann zusätzlich noch ein weiterer Schutz getragen werden.
Beispiel: Mantel, Gugel
Modische Entwicklung
Beim Planen einer Gewandung - insbesondere im Fantasybereich - ist es immer schön, wenn diese einige Charakteristika beinhaltet. Beim Betrachten historischer Modeentwicklungen fällt ein Trend auf, der gut in den Fantasybereich übertragen werden kann. Eine zuerst rein praktische Sache entwickelt sich über die Zeit immer extremer - bis zu einem eher unpraktischem Ausmaß (z.B. die immer länger werdende Liripipe). Je reicher die Schicht, desto extremer die Ausprägung. Die "arbeitende Bevölkerung" bleibt von dieser Entwicklung eher verschont.
Schön wäre es wenn jemand sich die Mühe machen würde für seine Fantasygewandung eine grob umrissene "Evolution" zu entwerfen, und aufgrund dieser bestimmte Merkmale aus ihr herausarbeiten würde.
Kleine Anmerkung: Wenn du mir jetzt noch erklärst, wie man denn anhand einer einzigen Person eine Evolution darstellen soll ... Das halte ich für schlicht unmöglich. -- Nount, 20.08.06
Soweit hast du recht. Man kann keine verschiedenen Epochen an einer Person darstellen, aber man kann ähnliche Stilmerkmale in unterschieldichen Ausprägungen in der Gewandung unterbringen. An einem historischen Beispiel: Das Zerhauzeug des 16. Jahrhunderts sieht man an vielen verschiedenen Stellen in unterschiedlicher Ausprägung. Schön wär es wenn sich solche Stilmerkmale in unterschiedlicher Ausprägung durch das ganze Gewand hindurch ziehen würden. Vieleicht muss man (von der Anderen seite betrachtet) die ganze Evolution auch garnicht darstellen. Im vorfeld des Gewandungsmachens kommt ja immer die überlgeung - "was ziehe ich an" und vieleicht kann man diese um den Gedanken "woher kommt das was ich anziehen will" erweitern. So würde man meineserachtens viele lieblose Fantasygewandungen, die irgendwo irgendwas lieblos drangeklatscht haben vermeiden - unprpaktische Dinge vermeidet man hiermit nich (ist ja garnicht der Sinn der Sache)(Wieder das Beispiel mit dem Zerhauzeug - das Extrem hat sich aus einer anfänglich praktischen Sache - einer erweiterung des Bewegungsspielraumes - heraus entwickelt. -- PeterBraubach
Darstellug von verschiedenen Ständen
Zur Darstellung von höheren Ständen:
- Höhere Stände können über verschiedene Konzepte dargestellt werden:
- Hochwertige Materialien: Pelz, Brokat, Damast - Alles, was schöner ist als das, was seinen Zweck erfüllen würde, ist ein Zeichen von Wohlstand.
- Stoffmenge - "Gut Betuchte" stellen ihren Reichtum durch größere Mengen an (vorzugsweise hochwertigen) Material pro Gewandungsstück an, dies ist meist bei relativ einfachen Schnitten der Fall.
- Aufwand - Kompliziert gearbeitete Gewänder, aufwändige Stickerreien und Applikationen.
- Unpraktikabilität - s.o. Modische Extreme. Eine Gewandung, die so "hauteng" ist, dass man sich nicht darin bücken kann, ist nicht unbedingt für einen Feldarbeiter geeignet; einem König ist dies jedoch egal; er hat jemanden, der sich für ihn bückt.
Zur Darstellung des "Mittelstands":
- Der Mittelstand zeichnet sich zuallererst durch Kleider in robuster und funktionaler Verarbeitung aus. Mit dem sozialen Aufstieg werden zunehmend bessere Materialien und eine höhere Verarbeitungsqualität angestrebt. Für die Arbeit wird die gute Kleidung jedoch auf jeden Fall geschützt.
- Feiertagskleidung. Arbeits- und Repräsentationskleidung unterscheiden sich. Für die Arbeit in der Werkstatt trägt man etwas anderes als für den sonntäglichen Kirchgang.
- Je geringer die körperliche Komponente der Arbeit ist, desto stärker fallen die modischen Extrema aus.
Zur Darstellung der "Unterschicht":
- Im Liverollenspiel wird die unterste Unterschicht gerne zerlumpt bis zum Gehtnichtmehr dargestellt. Grobe Stoffe und zerfetztes Gewand dominieren die Vorstellungswelt. Auf der einen Seite kann man gut mit ebendiesen Klischees arbeiten, auf der anderen ...
- .. würde jemand, der nur ein Hemd besitzt, einen Riss in diesem weiter aufreißen lassen? Die Gewandung darf ruhig "zerschlissen" sein, jedoch wird darauf geachtet, dass diese nie unfunktional wird! Auszeichnen kann sich eine ärmliche Gewandung durch
- veraltete Mode - die Unterschicht hängt der modischen Entwicklung um ein paar Schritte hinterher (im LARP schwer umzusetzen)
- einfache, funktionale Kleidung
- "nicht passende Kleidung" - vorzugsweise zu große Gewänder -, die von jemand anderem abgelegt wurden
grobe Stoffe, zerlumpte Kleidung - hier bewegen wir uns auf dem zweisschneidigen Schwert des Klischees - vergleiche: Thread im LI-Forum über die Stoffe einer Bettlergewandung
- eingesetzte Flicken. Das passt dann zu dem Argument, dass der Kerl vielleicht wirklich nur ein Hemd besitzt und das intakt hält. Die Flicken sollten dann aber an den richtigen Stellen sitzen, nämlich an den stark beanspruchten, wie z.B. Knie, Ellbogen usw., nicht, wie man es oft auf Karnevalskostümen sieht, willkürlich wild über die Kleidung verteilt. Natürlich: Wer es schafft sich eine Triangel in den Stoff zu reissen oder ein Loch hineinzubrennen, wird irgendwann auch jenseits dieser Stellen Flicken haben. Aber das ist dann natürlich real entstandener Verschleiss und kein 'Trimmen' der Kleider. Und es sieht auch nicht aus als hätte jemand die Flicken mit dem Salzstreuer übers Gewand verteilt. Übrigens sollten die Flicken schon eine ähnliche Farbe haben wie das Kleidungsstück - der Charakter will ja, dass die Ausbesserungen möglichst wenig auffallen, im Gegensatz zum Karneval, wo die Flicken groß, leuchtend und auffällig gestaltet sind, plakativ eben. Eine Krankenschwester trägt ja auch kein riesengroßes rotes Kreuz auf der Brust.
--PeterBraubach 19.08. 2006, mit Ergänzungen von PatrickC, Nount, MelaEckenfels, TobiasSeybold
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