Gewandungen im Film Herr der Ringe
Nachdem wohl inzwischen jeder die Filme gesehen hat stellt sich sicher einigen die Frage: Wie kriege ich auch solche Gewandungen hin? Was ist das Besondere, was macht den unverwechselbaren HdR "Stil" aus?
Die Seite LotR Costume Research geht der Sache ganz genau auf den Grund und bietet viele Anleitungen für HdR-Gewandungen (auch in unterschiedlichen Schwierigkeits- und Kostenstufen). Das definierende Element in den Gewandungen im HdR erscheint mir das Übergewand. Es gleicht etwas dem historischen 14. Jhdt. surcot im allgemeinen Schnitt. D.h es ist knie- oder wadenlang, an den Seiten (im Gegensatz zum Cyclas) bis auf die Armausschnitte geschlossen, mit rundem (gelegentlich etwas nach vorne erweiterten Halsausschnitt), ärmellos und ohne Kragen.
Der Hauptunterschied zu den historischen Schnitten und Vorbildern scheint mir dabei, dass das Übergewand vorne nicht vernäht ist, sondern mit verschiedenen Befestigungsvarianten (Knöpfe, Riegel, Schnürung, etc.) geschlossen wird, allerdings nur bis etwa Höhe des Bauchnabels. Dies erlaubt es im optischen Mittelpunkt der Gewandung, d.h. auf der Brust des Trägers, durch die Verschlüsse, Säume, Stickereien, etc. verschiedene Gestaltungselemente einzubringen. Allerdings ist es dann etwas schwieriger z.B. Wappen oder Embleme anzubringen (im Gegensatz zum vorne meist geschlossenen Wappenrock). Ein etwas weniger wesentlicher Unterschied liegt im Schnitt - das HdR Übergewand wird erst ab etwa Höhe Bauchnabel/Taille breiter.
Getragen wird diese Form des Übergewandes in verschiedenen Varianten z.B. von:
- Aragorn als König (schwarzes Leder, goldgesäumt, Schnallenverschlus):
- Aragorn in Rivendell (grauer Samt):
Aragorn in Edoras & Helms Klamm (schwarzes Leder, direkt über dem Hemd):
- Faramir in Ithilien (günes Material, Wolle, Leinen oder Leder):
- Boromir beim Eintreffen in Rivendell (schwarzes Leder, einfach):
- Boromir mit den Gefährten (schwarzes Leder, verziert):
- Gimli (bordeauxrote Wolle):
- Eomer (dunkelgrüne Wolle, Leder?):
- Theoden verzaubert (roter Samt):
- Eowyn als Dernhelm (grobe grüne Wolle):
- Galadrim bei Helms Klamm (weisses Leinen, Seide?):
- Waldläufer Ithiliens (schwarzes Leder / grüne Wolle):
- Wachen des Baums (weisses Leinen, Seide?):
Allerdings gibt es auch ein paar Ausnahmen: Die Hobbits, Theoden entzaubert (Übergewand vorne geschlossen, roter Samt), Legolas (kürzer), usw.
Was ebenfalls einen zum historischen Vorbild stark differenzierenden Aspekt bildet ist die Mischung zwischen Kampf- und Reise- bzw. Zivilkleidung. In vielen Fällen wird Rüstung über dem Übergewand getragen (Faramir), in einigen Fällen auch darunter (Boromir), d.h. es dient gleichtzeitig als Waffenrock. Historisch war diese Trennung wohl etwas eindeutiger.
Was drunter getragen wurde erscheint etwas spekulativer, d.h. es gibt weniger Beispiele. Jedoch ist die unterste Schicht wohl immer ein Art langärmelige Tunika oder Hemd, welches etwa bis zum Schritt reichte, mit einer geschnürten (Aragorn, Boromir) Schlüsselloch-Kopföffnung. Dieses Unterhemd dürfte in den meisten Fällen (Beispiel Aragorn) aus feinem Leinen gewesen sein, allerdings im Gegensatz zum historischen Vorbild nicht grundsätzlich weiss, sondern farblich eher dunkel gehalten, oft abgestimmt mit der darübergetragenen Gewandung.
Die Zwischenschicht, entsprechend der historischen cotte, hat im HdR wo sie getragen wird (z.B. Boromir, Aragorn als König) zwei Formen:
- Überlang, Stehkragen, kurze Ärmel, geknöpfter Halsausschnitt, vorne geschlossen (Boromir, rote Seide):
- oder:
- Überlang, Stehkragen, ohne Ärmel, vorne offen, mit Knöpfen geschlossen (Aragorn als König, roter Samt).:
Als Beinkleider werden taschenlose Hosen aus Wolle oder Samt getragen, ohne Gürtel, mit Kordeldurchzug.
D.h. wenn man sich diese Elemente ansieht, dann könnte eine Gewandungsempfehlung etwa so aussehen:
Untergewand (entsp. hist. chemise)
Feine langärmlige Leinentunika (u.U. auch Wolle), farblich passend zum Obergewand (d.h. nicht weiß). Geschnürter Schlüsselloch-Halsausschnitt. Auch bei gehobenen Persönlichkeiten eher schlicht und unverziert, keine Borten, Stickereien o.ä.. Einfache Ärmelenden. Klassischer Langarmtunikaschnitt.
Obergewand (entsp. hist. chainse, cotte)
Kurzärmelige, knie- oder wadenlange, vorne mit Knöpfen, Schnallen o.ä. verschließbare oder seltener vernähte Gewandung mit verziertem Stehkragen. Wolle, Seide oder Baumwollsamt, gelegentlich reich gewirkte Brokate o.ä.. Je nach Stand verziert mit Stickereien und Ziernähten, selten Borte. Wegen des ungewöhnlichen Stehkragens müsste man hier erstmal noch passende Schnitte suchen. Ansonsten im Schnitt ähnlich bis identisch mit dem Übergewand.
Nicht immer wird das Obergewand getragen, in den vielen Fällen wird das Übergewand direkt über dem Untergewand getragen.
Übergewand (entspr. hist. bliaut, surcot, houppelande)
Ärmelloser, knie- oder wadenlanger, vorne mit Knöpfen, Schnüren, Schnallen o.ä. verschließbares Übergewand aus Leder oder Wolle (evtl. Leinen). Runder Halsausschnitt, kein Kragen. Ähnlich dem klassischen Surcot Schnitt, jedoch vorne nicht vernäht, sondern eben offen und mit Verschlüssen.
Allerdings gibt es einen wesentlichen Unterschied, deshalb können Surcot Schnitte nicht 1:1 übernommen werden. Bei dem HdR Übergewand (manchmal im engl. als "Surcoat", "Vest" oder "Jerkin" bezeichnet) sind die Seiten unter den Armen am Oberkörper zuerst parallel gerade geschnitten. Das Gewand wird erst ab etwa dem Bauchnabel/der Taille (Höhe der unteren Verschlusses, bzw. des hinteren Schlitzes) weiter.
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Je nach Stand verziert mit Stickereien und Ziernähten. Beim Auswahl des Schnittes ist unbedingt darauf zu achten dass er wie oben erwähnt nach unten hin weiter wird, ansonsten fällt er mit einem Mittelschlitz hinterher nicht mit leichtem Faltenwurf gerade nach unten, sondern wird zwischen den Beinen auseinandergezogen das sieht man oft bei einfach genähten Wappenröcken mit parallelen, zusammengenähten Seiten: ein recht unschöner Anblick!
Sehr wichtig ist natürlich auch die Schultern körperformgerecht nach aussen leicht abzusenken, und nicht einfach grade überstehen zu lassen (wir sind ja schliesslich nicht im feudalen Japan).
Siehe auch Selbermachen/HDRGewandung
Mantel/Umhang
Im Gegensatz zu "klassischen" Halbkreismantel enthalten die Mäntel beim HdR einen kompletten Kopfausschnitt (die schmalen Enden sollten verstärkt werden). Es wird hochwertiger Stoff verarbeitet, jedoch scheinen mit einer Ausnahme (Aragorn als König) alle Umhänge ungefüttert. Um mit einem preiswerteren Stoff den "Elbenmantel" Effekt zu erzielen kann man auf ein gestricktes (nicht gewobenes) Wollgewebe zurückgreifen.
Hose
Geschlossene Woll-, Samt, Leder-, oder Leinenhose ohne Taschen, mit Kordeldurchzug.
Schuhe
Braune oder hellbraune, halbhohe oder hohe Stulpenstiefel
Stoffe
Einer der wesentlichen Aspekte für eine stimmige HdR-ähnliche Gewandung ist die Auswahl des geeigneten Stoffes. Im HdR wurden für die Gewandungen oft sehr hochwertige Stoffe verarbeitet.
Zu Empfehlen sind neben geeignetem Leder auch Stoffe vor allem aus Wolle, Leinen, Wildseide, Barchent (Leinen/Baumwollgemisch), selten Baumwollsamt (Denethor, Theoden, Aragorn als König), sowie in Einzelfällen Brokat oder Damast.
Auf jeden Fall absolut zu vermeiden sind Pannesamt und Baumwollstoffe in Köperbindung (d.h. Jeans- und T-Shirt Stoffe - "grobe" Leinwandbindung, d.h. Segeltuch oder Leinwand, mag im Einzelfall gehen), sowie natürlich Synthetikfleece. "Offensichtliche" Synthetikstoffe (evtl. mit Ausnahme von Alcantara als Hosenstoff) sind an sichtbaren Stellen insgesamt absolut zu vermeiden. Als Ausnahme mag z.B. Viskose als Futterstoff noch angehen, sowie bestimme Woll/Synthetikmischungen, oder Synthetikstoffe in Leinen- oder Wildseidenoptik.
Insgesamt sind hochwertige, dicke sowie grob gewebte Stoffe zu bevorzugen (auch wenn sie meist etwas teurer sind). Z.B. Wolle trägt sich besonders angenehm und hat eine schöne Optik mit einem gewissen Kaschmiranteil.
Verzierungen
Ein wichtiger Aspekt des typischen HdR "Looks" sind die zahlreichen Verzierungen, Stickereien, usw. an den unterschiedlichen Gewandungen. Hierbei ist besonders bemerkenswert dass vor allem Ziernähte und Zierstickereien zu finden sind, weniger jedoch aufgenähte Zierborten.
Futter
Mit Ausnahme des Mantels von Aragorn als König und des Reitermantels von Theoden (der sehr elegant in grün mit rotem Futter gehalten ist) erscheinen die meisten Gewänder ungefüttert. Auch dies entspricht nicht unbedingt einem historischen Vorbild, ist aber verständlich wenn man die vielen übereinander getragenen Schichten berücksichtigt (Bsp. Aragorn als König: Leinenhemd, Obergewand, Rüstung, Übergewand, Mantel...) - mit zusätzlichem Futter würde einem schon im Stehen der Schweiss von der Stirn tropfen.
Links
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