Dieser Artikel wurde ursprünglich für die LARPzeit #63 geschrieben und findet sich hier in erweiterter Form mit Programm- und Sound-Beispielen.
Monsterschreie und Geisterstimmen
Brüllwürfel schaffen Gruselatmosphäre
Zitternd verstecken sich Dorfbewohner und Reisende in den Hütten. Die Monster sind da draußen. Gesehen haben die Menschen die Kreaturen zwar noch nicht, aber sie hören sie. Immer wieder durchdringt ihr Knurren und Schnauben die nächtliche Stille...
Wer normalerweise auf seinem Larp, zum Beispiel bei einem gruseligen Abenteuercon, solch eine Atmosphäre erzeugen will und dafür auf NSCs zurückgreift, muss diesen viel abverlangen. Wem gefällt schon die Vorstellung, stundenlang irgendwo auszuharren und regelmäßig immer wieder die gleichen Geräusche von sich zu geben? Ein Griff in die Technik-Trickkiste kann Abhilfe schaffen. Mit einfachen Mitteln und für vergleichsweise wenig Geld könnt Ihr Monsterschreie, Geisterstimmen, Geräusche aus dem Nichts, sphärische Klänge, aufgezeichnete Gespräche aus der Vergangenheit und andere Geräuschkulissen auf Eurem Spiel erklingen lassen.
Die Idee und ihre Geschichte
Die Idee entstand im Vorfeld des Cons Yorkfeuer 2018 aus der Not heraus. Das Fantasy-Spiel drehte sich um eine Monster-Forschungsstation. Insbesondere am ersten Abend und in den Nächten sollte eine Monsterpräsenz dargestellt werden. Die erste Überlegung, einen NSC mit Lautsprecher durch den Wald laufen zu lassen, haben wir nicht umgesetzt, da kein NSC entbehrlich war. Die nächste Idee war eine technische Lösung. Mobile Bluetooth-Lautsprecher, scherzhaft als Brüllwürfel bezeichnet, gibt es inzwischen zu einem Preis unter 20,- Euro, oft mit Spritzwasserschutz. Manche Modelle können direkt von der Speicherkarte Sounds abspielen. Das heißt, für die Sounderzeugung wird kein zusätzliches Smartphone, Mini-Computer oder ähnliches gebraucht.
Der günstige Preis hat Vor- und Nachteile: Geht einer kaputt oder verloren, hält sich der Verlust in Grenzen, leider ist die Lautstärke in dieser Preisklasse nicht die allerbeste. Auf dem Spiel haben wir versucht, diesen Nachteil mithilfe eines Vogelhäuschens als Resonanzkörper (und Tarnung) auszugleichen. Gegen lärmende Spielerhorden kam der Lautsprecher trotzdem nicht an. Auch der Akku hielt nur ein paar Stunden. Letztere Einschränkung entfällt bei einer festen Stromversorgung, kann aber mit der Tarnung kollidieren. Die meisten Geräte spielen beim Einschalten ein störendes Geräusch ab, was man bei der Einsatzplanung berücksichtigen sollte.
Hardware
Es gibt verschiedene Anbieter mobiler, kleiner und günstiger Lautsprecher mit Bluetooth und Speicherkartenleser. Hier hilft nur ausprobieren. Für unser Projekt kamen Lenrue F4 Wireless Speakers für rund 16,- Euro und Lenrue K2 Wireless Speakers für 15,- Euro zusammen mit Micro SDHC-Speicherkarten (ab fünf Euro zu haben) zum Einsatz. Manche Modelle haben zur Befestigung Ösen, Schraubanschlüsse (für ein Stativ) oder Saugnäpfe (für Glasscheiben), wodurch sich vielfältige Anwendungsmöglichkeiten ergeben.
Die Ambientetauglichkeit ist bei den meisten Genres sehr gering, daher empfiehlt sich eine passende Tarnung.
Sounds erstellen
Der Brüllwürfel hat keine weiteren Interaktionsmöglichkeiten. Im Wesentlichen läuft ein Hörspiel. Für unser Szenario brauchten wir verschiedene Monster im Wald. Die erste Hürde sind die Sounds an sich. Es gibt durchaus brauchbare frei nutzbare Sounds im Internet, die aber nicht immer gut zusammenpassen. Man muss ein wenig experimentieren. Unser Hörspiel mit den Monstergeräuschen war einfach gestrickt. Eine lange Pause am Anfang, damit das Gerät ohne das lästige Geräusch beim Einschalten platziert werden konnte, dann Geräusche und Pausen in zufälliger Länge im Wechsel. Die erzeugten MP3-Dateien kamen auf die Speicherkarten, die nur noch in die Lautsprecher gesteckt werden mussten. Als Informatiker habe ich Zusammenstellung und Pausen nicht per Hand erstellt, sondern mit freier Software unter Linux programmiert. Die Anleitung und Programmbeispiele dafür findet Ihr weiter unten in diesem Artikel. Ihr könnt das aber auch per Hand mit einem Soundprogramm zusammenstellen.
Erfahrungen im Einsatz
Auf dem Yorkfeuer 2018 haben wir drei Brüllwürfel eingesetzt. Zwei davon wurden in den Vogelhäusern im Gehölz vor der Unterkunft der Spieler platziert. Der Effekt war nicht überwältigend – aber spürbar. Wir erzeugten eine permanente Unruhe. Bei den Spielern stand immer die Frage Raum: Ist es nur ein Geräusch im Wald oder greift diesmal doch ein Monsterdarsteller an? Ein dritter Brüllwürfel wurde in einem zunächst nicht zugänglichen Keller platziert und simulierte erfolgreich eingesperrte Kreaturen. Dabei wurde der etwas schwache Lautsprecher vom Keller akustisch verstärkt. Insgesamt also ein voller Erfolg.
Eigene Monster erstellen
Die folgenden Abschnitte finden sich nicht im ursprünglichen LARPzeit-Artikel. Ab hier wird es "etwas" technischer. Linux-Kenntnisse sind für das weitere Verständnis sehr hilfreich...
Vorbereitungen
Ihr braucht ein Linux-System auf dem die Programme "shuf", "wc", "mktemp", "find" und "ffmpeg" installiert sind. Auf Debian/Ubuntu-Systemen findet ihr die Programme in den Paketen "coreutils", "findutils" und "ffmpeg". Ich habe ein Ubuntu Linux 16.04 verwendet. Im Prinzip sollten die Beispiele auf anderen Linux Distributionen auch funktionieren - getestet habe ich das aber nicht...
Für den Start empfiehlt sich ein leeres Projektverzeichnis, z.B. "MeineMonster". Dort ein Unterverzeichnis "silence/" für die Stille und ein Unterverzeichnis "sounds/" für die gewünschten Monster-Sounds anlegen.
Die Stille erzeugen wir im folgenden Abschnitt, Beispiel-Sounds sind weiter unten verlinkt.
MP3-Dateien mit Stille erzeugen
Für die Pausen kommen "leere", d.h. stille MP3-Dateien zum Einsatz. Zum Erzeugen wird eigentlich nur das Programm "ffmpeg" benötigt. Das sollte eigentlich bei allen Linux-Distributionen dabei sein.
Mit dem Shell-Script mk_silence.sh erzeugt ihr MP3-Dateien mit Stille in der gewünschten Länge. Oder ihr nehmt ein paar der Beispieldateien (silence_2.mp3, silence_4.mp3, silence_8.mp3, silence_16.mp3, silence_32.mp3).
Das Script einfach in das Verzeichnis "MeineMonster/silence" kopieren und ausführen.
Soundfiles vorbereiten
Das Shell-Script (mk_monster_mp3.sh) sucht im Unterverzeichnis "sounds/" nach MP3-Dateien.
Ihr könnt dort eigene Dateien ablegen oder die Beispielfiles (Monster1.mp3,Monster2.mp3, Monster3.mp3, Monster4.mp3, Monster5.mp3, Monster6.mp3, Monster7.mp3, Monster8.mp3, Monster9.mp3, Monster10.mp3, Monster11.mp3, Monster12.mp3) verwenden.
Soundfiles zusammenfügen
Das Shell-Script (mk_monster_mp3.sh) legt ihr im Verzeichnis "MeineMonster/" ab. Dort wird es gestartet und dort werden auch die finalen MP3-Dateien gespeichert.
Die MP3-Dateien haben jeweils einen zufälligen Anteil im Namen. Wenn ihr mehrere verschiedene Monster braucht, könnt ihr das Shell-Script einfach öfter starten und die Ergebnisse dann verwenden.
Die MP3-Dateien sollten dann ungefähr so klingen:
Das Projekt wurde auf dem Mittelpunkt 2018 im Rahmen des Programmpunkts Designer’s Hour vorgestellt:
Text und Bilder: Tilmann Haak
Sounds: Dan Oliver Finke