Historisches Vorweg: Musketiere sind ein typisches Element des 17. Jahrhunderts und nahezu untrennbar mit dem 30jährigen Krieg, den Romanen Alexandre Dumas' und klassischen Mantel-und-Degen-Filmen verbunden.
Grundlegendes zuerst:
Erst das Kostüm, dann die Muskete! Aus dem ganz simplen Grund, dass die Muskete mit hoher Sicherheit das teuerste Ausrüstungsstück am ganzen Kostüm sein wird. Klar, die Muskete ist toll und gehört zum Musketier allein aufgrund des Namens schon dazu, aber sie definiert nicht die Rolle. Ein Musketier ohne selbige ist bei tauglichem Kostüm trotzdem als Musketier erkennbar, ein Hansel mit komischem Kostüm und Muskete nicht unbedingt.
Das Ziel ist für ein überzeugendes Kostüm ja nicht, so auszusehen:
Maskworld-Musketier
sondern eher so
Das Recht an diesem Bild liegt bei Thomas Rauber.
Inspirationen/Vorlagen/Quellen:
Jeder, der mindestens einmal einen Mantel- und Degen Film gesehen, hat zumindest eine diffuse Vorstellung von Musketieren.
Ob das nun ein Film aus den 60er Jahren ist, die Verfilmung mit u.a. Charlie Sheen aus den 90ern oder Alatriste als aktuellste Verfilmung mit starkem Musketierbezug, jeder dieser Filme wird von den Zuschauern mit „Musketier“ assoziiert, taugt also als Inspiration.
The Four Musketeers
Die Drei Musketiere
Alatriste
The Devils` Whore
Als Vorlagen für Kostümideen eignen sich neben den Filmen auch verschiedene Bücher, unter anderem einige Bände aus der Osprey-Reihe.
Imperial Armies of the 30 Years War
Matchlock Musketeer
English Civil War Armies
Soldiers of the English Civil War
Buccaneers
Tracht, Wehr und Waffen des 30jährigen Krieges (soweit ich weiss, nirgendwo mehr als gedrucktes Exemplar zu kriegen, ggf. haben es ein paar Unibibliotheken, ansonsten gibt es das buch nur noch als PDF unter der Hand)
Und wer eine deutliche Orientierung an historischen Vorbildern mag, der kann sich natürlich auch ein zeitgenössisches Gemälde dazu nehmen, ob es jetzt die Nachtwache oder vergleichbares ist.
Die Übergabe der Stadt Breda
Die Nachtwache von Rembrandt
Empfehlenswert sind auch zwei Ausgaben der GeoEpoche:
GeoEpoche: Der Dreissigjährige Krieg
GeoEpoche: Als Spanien die Welt beherrschte
Aber genug der grauen Theorie, auf zum eigentlichen Kostüm! Es gibt ein paar, ich nenne sie mal Muss-Teile, damit ein Musketierkostüm auch als solches erkannt wird. Da wären zu nennen:
Das Hemd ist so ziemlich das einfachste am gesamten Kostüm, ähneln die mir bekannten Schnitte doch stark den Standard-Larphemden mit weiten Ärmeln, engen Handgelenken und recht weiten Torsoteil. Wenn es einigermaßen lang ist, taugt es gleich als Männernachthemd. Als Stoff bietet sich natürlich Leinen an; wenn man es günstig kaufen kann (alte Vorhänge z.B.) ist auch Rohseide eine gute Wahl. Wer es etwas aufwändiger mag, nimmt diesen italienischen Hemdschnitt.
Die Hose kann man sich meist ganz gut selber machen bzw. von nähbefähigten Bekannten machen lassen. Ein vernünftiger, fester Wollstoff mit Leinenfutter hat sich zumindest für mich als sehr nützlich erwiesen, speziell Walkloden ist pflegeleicht und recht robust. Farblich gilt hier natürlich das gleiche wie für die Jacke, wobei grade bei den Hosen eher Brauntöne wirken.
Hosenschnittmuster von 2Heinz, wahlweise auch ohne Unterschenkelröhren umsetzbar
Schnittmuster Kniebundhose
Als Stiefel sind für die meisten Darstellungen natürlich Stulpenstiefel obligatorisch, es eignen sich aber genauso gut Halbschuhe mit Schnallen. Dann braucht man nur eine etwas andere Hose und schöne Strümpfe.
Wenn man keine Stulpenstiefel findet, die einem gefallen, kann man auch normale Stiefel durch Annähen einer Stulpe optisch aufwerten. Als Bezugsquelle für schöne Musketierstiefel taugen unter anderem CP-Stiefel, Knieriem und die Schuhe von Re-enactment Supplies
Das Wams. Da auch bei Musketieren der Schichtenlook recht gut funktioniert und man so auch den Kassack mal ablegen kann, hab ich zwischen Hemd und Kassack noch das Wams eingefügt. Weniger Knöpfe als beim Kassack, allerdings sieht es dann schnell doof aus, wenn der Gürtel darüber nicht richtig sitzt.
Hier bietet sich an, eine andere Farbe als die des Kassacks/der Jacke zu verwenden, um die Kleidungsstücke von einander abzugrenzen. Je nach Stil kann man das Wams mit einem weißen Kragen versehen, das gibt der Wirkung etwas Edleres (meiner Ansicht nach) und hebt den Träger vom einfachen Feldschützen ab.
Schnittmuster für ein Wams/Short Coat
Der Hut, gut eignen sich hier Hüte aus Filz mit breiter Krempe, wobei man einfach je nach Belieben eine Krempenseite hochklappt, festnäht und den Hut nach eigenem Gusto mit Hutband und Schmuck wie z.B. Federn versieht. Farblich sind dabei eigentlich keine Grenzen gesetzt, lediglich knallige Farbtöne sind eher ungünstig, am besten machen sich natürlich satte Brauntöne, Schwarz, dunkles Blau oder auch grün.
Blake im www.larper.ning.com fertigt sehr schöne Hüte an
Theatrhall Paris
Hutfabrik Lembert
Apostel-Bandolier. Selbst wenn man noch keine Muskete hat, erkennt man daran den klassischen Musketier. In den hölzernen Kartuschen kann man die Munition für die Muskete aufbewahren, ob nun Knallschnüre, Perkussionszündhütchen oder was auch immer man verwenden mag. In Deutschland kriegt man die kompletten Bandoliere soweit ich weiß kaum, deswegen bleibt nur der Blick über den Kanal, nach Großbritannien zu Re-enactmentsupplies bzw. TimeSeller, oder man sucht sich einen Menschen mit Drehbank und der Befähigung, zu drechseln und lässt sich die Kartuschen anfertigen. Diese Option ist aber vermutlich die kostenintensivste Variante.
Beispeil Bandolier mit ledernem Wams
Der Kassack. Wenn ihr euch gefragt habt, was dieser blöde Wappenlappen in den Musketier-Filmen immer soll, das ist DIE Musketierjacke schlechthin, der Kassack. In den Filmen sind es meist einfach 4 Stoffbahnen, die wild herumflattern, ursprünglich ist diese Jacke aber sehr knopflastig, schließlich sind die Ärmel, die Brust- und die Seitennähte komplett durchknöpfbar, so dass man den Kassack als Jacke, als Poncho mit Arm-Schlitzen oder als Jacke mit Scheinärmeln tragen kann. Wer sich so eine Jacke nähen will, sollte aber mit langen Stunden voller anzunähender Knöpfe rechnen, mein eigener Kassack hat gut 150 Knöpfe. Auch hier liegt die Farbwahl eher bei den gedeckten Farbtönen, es sei denn, man spielt natürlich einen reichen Mann, der sich die buntesten Stoffe leisten kann und bereitwillig auch aus weiter Ferne für den Gegner die Zielscheibe gibt. Blau, grün, dunkles Rot und Brauntöne machen sich auch hier gut.
Schnittmuster für einen Kassack
Damit steht schon mal die Bekleidung, aber zum Musketier gehört natürlich neben der Muskete auch eine angemessene Nahkampfbewaffnung. Stilistisch passen hier natürlich Waffen wie Rapiere, Schiavona und als Dolch der klassische Linkhand, idealerweise stichfähig. Als Beispiel sollen hier Goldhammer, Ars Sica und Bloodworx reichen, auch wenn es natürlich weit mehr geeignete Bastler/Hersteller gibt.
Da man diese Waffen natürlich transportieren muss, empfiehlt sich ein Rapiergehänge mit Dolchscheide. Wer Spaß an Lederarbeiten hat, kann so etwas selbst fabrizieren, wobei man meiner Ansicht nach darauf achten sollte, gerade bei diesem Ausrüstungsteil schöne Schnallen und Beschläge zu verwenden. Beim Rapiergehänge kann man auch ruhig kräftige Farben nehmen, ob nun rot, blau oder grün. Gelb sähe vermutlich seltsam aus und vom vielfach günstig zu bekommenden schwarzen Rapiergehänge rate ich ab. Wer, so wie ich, sein Geld lieber zu begabteren Leuten trägt, dem kann ich Baculus, Jens Haller durchaus empfehlen.
Soweit zum grundlegenden Kostüm, alles Folgende dient dem Ausbau der Darstellung:
Ein Halstuch aus einfachem, gemustertem Stoff (zum Beispiel Kopftücher vom Türkenmarkt), sorgt einfach für einen Alltagslook und bricht die „kahle“ Fläche Hals auf. Ich habe mein Tuch einfach durchgeschnitten, benutze eine Hälfte als Halstuch, die andere als Kopftuch unter dem Hut, damit gerade bei hohen Temperaturen der Hut bequemer sitzt.
Stulpenhandschuhe sind mittlerweile ja recht günstig zu bekommen und werten das Gesamtbild vielfach deutlich auf. Wer mag, kann sich aber statt der „normalen“ Ausführung auch beim Handschuhmacher seines Vertrauens extra Handschuhe anfertigen lassen. Neben der visuellen Wirkung bieten sie schließlich auch eine reale Schutzwirkung gegen Handtreffer und wenn man mit der glimmenden Lunte hantiert, verbrennt man sich nicht die Finger, weil man nicht aufgepasst hat.
Historische Schuhe --> Handschuhe
Rüstung braucht ein Musketier eigentlich nicht, wer trotzdem nicht ganz ungeschützt unterwegs sein mag, der ist historisierend mit einem Buff Coat aus dickem Leder sehr gut bedient, wahlweise mit oder ohne Ärmel. Wenn es dann doch Metall sein soll, reichen eigentlich Brustplatte (aber bitte bitte keine komische Larp-Brustplatte sondern was Einteiliges) und evtl. fürs Klischee auf den Kopf ein Morion oder Birnenhelm.
Buff Coat vom Lederhaus.de
Buff Coat Schnittmuster mit Ärmeln
Buff Coat Schnittmuster ohne Ärmel
Morion-Beispiel
Birnenhelm-Beispiel
Das Herzstück: Die Muskete. Was die Muskete angeht, gibt es im Grunde eine ganz entscheidende Grundfrage: Lunten- oder Radschloss. Beides ist ähnlich aufwändig im Ladevorgang, aber mir persönlich gefällt die Muskete mit glimmender Lunte deutlich besser. Ein Problem stellt die Beschaffung dar. Baculus ist in Deutschland nach meinem Empfinden der beste Hersteller für die Knallrohre, dicht gefolgt von M. Hofmann, der ebenfalls Musketen bastelt. Ansonsten kann man noch Repliken erwerben, die ein ganzes Stück günstiger sind als die Anfertigungen, mir aber insgesamt nicht wirklich gefallen. Der Unterschied zwischen massengefertigter Ware aus Indien und den Einzelanfertigungen ist deutlich erkennbar.
Das i-tüpfelchen zur Muskete ist dann die Forquette, die Auflagegabel für die Muskete.
Musketen und andere Vorderlader von Baculus
Indischer Musketen-nachbau von Sportwaffen-Schneider
Die Pulverflasche ist ein zusätzliches nettes Accessoire. Es gibt die Möglichkeit, entweder die sehr günstigen Deko-ulverflaschen anzuschaffen, die aber nicht funktionsfähig sind, sich ein Pulverhorn zuzulegen, beispielsweise bei Reenactors.de oder sich ein Pulverhorn wie das her anfertigen zu lassen, wobei letzteres die deutlich teuerste Option ist:
Luntenschnur kann man meiner Erfahrung nach am einfachsten und auch am günstigsten in England erwerben, beim selben Händler wie das Apostel-Bandolier, sprich Re-enactmentsupplies. Baculus experimentiert, soweit ich weiss, auch mit Luntenschnur.
Ich selbst tüftele derzeit noch an einem anderen Darstellungsproblem, nämlich einem lauteren Knall und mehr Rauchentwicklung beim Feuern. Bisher benutze ich Knallkids, damit bin ich aber nicht so recht zufrieden. Eigentlich will ich nach ein paar Schüssen im Pulverdampf stehen, habe diesbezüglich aber noch keine geeignete Lösung gefunden.
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Anmerkungen, Ergänzungen, Ideen, Links etc. nehme ich gerne auf und ergänze den Guide entsprechend.
Als letztes noch ein kurzer Hinweis: Meine Tipps beziehen sich auf eine Musketier-Darstellung, die sich, wie entfernt sie auch sein mag, an Musketiere des 17. Jh. anlehnt, also die Zeitschiene der Großen Armada Spaniens, des Dreißigjährigen Krieges etc.
Und zum Schmackhaft machen als letztes noch ein paar Bilder von larpenden Musketieren:
Autor: GregorMascher
Verwendung dier Bilder mit freundlicher Genehmigung der Abgebildeten Personen.
Siehe auch
* Bestelanleitung für eine Musketierhose, inspiriert durch den Film “Alatriste”. von SebastianDeReuver