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GewandungFantasyUmsetzung

Fantasykleidung - Vom Entwurf zum fertigen Kostüm

Diese Seite soll eine Ergänzung zu den GewandungsTippsFantasy von Hana und Nount werden und anhand von Beispielen zeigen, wie ein nicht-historisches Konzept umgesetzt werden kann, welche Probleme dabei auftreten und wie das Endprodukt dann im Vergleich zum Entwurf aussieht.

Es wäre schön, wenn sich mehr Leute fänden, die "ihr" Fantasykostüm hier vorstellen, um das Anliegen oberer Seite zu unterstützen. Daher: BeispieleGesucht

Vorplanung

Vorweg: Das hier vorgestellte NSC-Kostüm ist natürlich nicht das Nonplusultra, aber zumindest einigermaßen gut dokumentiert. Analog zur Vorgehensweise, die auf dieser empfehlenswerten Seite über elizabethanische Kleidung unter dem Punkt "Purpose of the Gown" beschrieben wird, hier das, was das Kostüm leisten sollte:

WER: Ein NSC, der in einem IT-Theaterstück auf dem Congonien die Rolle des Halbgottes Tiotep übernahm. Dieser ist Teil der "Feuer"-Seite unseres sehr ans altgriechische angelehnten Götterpantheons und wurde im Plotbuch, nach dem sich die Kostümcrew richten sollte, wie folgt charakterisiert:

  • "Die schiere Lust am Wettkampf, Ehrgeiz, Eleganz und Siegessicherheit waren seine hervorstechenden Attribute. Gepaart mit Arroganz, einem Ego wie einem Bergmassiv und der Neigung, ein furchtbar schlechter Verlierer zu sein. Wenn er auf Erden wandelte, dann meist in Gestalt eines jungen strahlenden Kriegers, blond gelockt, athletisch, ein Sunnyboy, der keine Gelegenheit ausließ, sich mit anderen zu messen und der keiner Herausforderung widerstehen konnte" Eigenschaften: Mutig bis heroisch, tapfer bis wahnsinnig, stur bis unerträglich stur, Gentleman bis Macho Literarische Vorbilder: Achilles (Troja), Sir Lanzelot Symboltier: Löwe Kostüm: Sollte ein tanzbares, elegantes aufwändiges Prunkornat sein, das auch "Brust zeigt". Bewaffnung: elegantes Schwert oder Rapier, Löwenschild Rüstung: nicht wirklich, höchstens Gladiatorenschulter, oder Anime-artige Halbrüstungen, deren ästhetischer Wert weit über ihrem praktischen Nutzen liegt.

FÜR WAS und WANN: Das Kostüm sollte die Bewegungsfreiheit des NSC auf keinen Fall einschränken, da die Rolle auch Akrobatik, Kämpfe und Feuerjonglage vorsah. Es sollte zumindest so stabil sein, dass es einen Viertagescon und extreme Belastung aushalten könnte. Wegen der Feuerjonglage sollte es nicht aus synthetischen Materialien bestehen (bzw. wenn, dann so wenig, wie möglich). Auch wichtig war, dass das Kostüm sowohl aus der Ferne bei kräftiger Beleuchtung (Spots, Farbfolien) funktionieren musste, als auch aus nächster Nähe (Details!). Daher waren stark reflektierende großflächige Kleidungsteile nicht sinnvoll (war später für die Machart der Schultern und des Lorbeerkranzes wichtig), und die Kleidung musste Formen haben, die Gestik nicht verschleierte, sondern betonte.

WARUM: Da das Theaterstück selbst mit Halbgöttern und KlingenTänzer[n] schon als High-Fantasy angelegt war, musste das Kostüm nur der Kleidung der bisher aufgetretenen Priester und Götterbilder des Condra-Feuerpantheons entsprechen.

Der allererste Entwurf

Vorgeschlagen wurde zunächst ein Kostüm im Spätmittelalter/Landsknechtstil (also enge Hose, Schamkapsel, extrem kurzes Wams, V-Ausschnitt, zerhauene Ärmel, ausladendes Barrett mit Federn), was aber sowohl wegen der Akrobatikanforderung als auch, weil es für unseren Hintergrund unpassend sei, abgelehnt wurde, genauso wie ein Uniform-mit-Orden-und-Federhut-Entwurf

Inspiration

Oder auch: Woher klauen wir Ideen?

1) Unser eigener Hintergrund samt Mythologie: Die Farbwahl fiel bei einem Feuergott nicht wirklich schwer - verschiedene Rottöne, Gold und Gelb. Da Tiotep als Symboltier einen Löwen hatte, sollte dies ebenfalls im Design auftauchen. Alles was Richtung "Götter" geht, ist zudem bei uns durch die Verwendung breiter, mit Moosgummi versteifter Schulterkrägen gekennzeichnet, die Nishram (siehe auch GewandungsBeispielMagier und GewandungstippsSchultern) als "Condra-Manga-Kragen" bekannt gemacht hat. Da das Land, das das Feuerpantheon als Schutzgottheiten auserkoren hat, von uns als dem Römischen Reich ähnlich entworfen wurde, sollten auch pseudo-römische Elemente Verwendung finden.

2) Reale Geschichte: Daraus leitete sich direkt die nächste direkte Inspirationsquelle ab: Napoleon Bonaparte. Da dieser es liebte, sich als römischer Feldherr portraitieren zu lassen und auch sonst von der protzigen Persönlichkeit passte, sollte zwar kein schwerer Krönungsmantel wie auf den klassizistischen Portraits her, aber ein bißchen "Prunk-Uniformrock-Look" im Kostüm sichtbar sein, was auch bei den ersten Entwürfen gelobt worden war.

3) Fremde Vorlagen: Von einigen Orgamitgliedern wurde ein "Anime-Fantasy-Stil" favorisiert, ähnlich dem von Videospielen und dem asiatischen Stil, den die Dragonbane-Organisatoren entworfen hatten, nur mehr "oben ohne". Davon blieb nur die Idee der Gamaschen übrig, die die weit geschnittene Hose an den Beinen halten würden, während der Rest des Dragonbane-Konzeptes für die Garde Tioteps, die KlingenTänzer der Roten Schwadron, Verwendung fand.

4) Detail-Ideen aus den ersten Entwürfen wiederverwenden, die gefallen hatten: Vom Landsknechtkostüm blieb der Seidenschal und der V-Ausschnitt übrig, vom Gehrock die Rüschen, Kettchen und Schöße.

Die Skizze

Hier also das endgültige Kostümdesign (Anime + Napoleon + Römisch). And yes, I suck at human anatomy...

Skizze

Materialwahl

Um das Con-Budget zu schonen, wurde, wo möglich, auf Stoffreste aus dem Fundus zurückgegriffen, daher war das Cape statt aus "Flatterstoff" aus einem Rest dunkelroter Samtgardine (gute Entscheidung, denn der schwer fallende Samt machte mehr her als ein dünnes Mäntelchen). Die Deko kam aus dem unerschöpflichen Vorrat an Goldborten, die wir einmal als "zwei Ballen" ersteigert hatten und zwei Kisten bekommen hatten. Die "Arm- und Beinschienen" waren aus roten Lederresten. Gekauft wurden für die Hose und das Capefutter hellroter Baumwollstoff, goldener Futterstoff und Baumwollrüsche. Problem: Der Oberstoff des Doublets. Nach längerer Suche und Vergleich von Ebay-Brokaten, Samtgardinen und Seidenstoffen fand sich ein preiswerter weinroter Stoff (6€/m) mit Rankenmotiv auf dem "Türkenmarkt" am Maybachufer, der geeignet schien. Oder auch nicht, im Nachhinein stellte sich durch Flämmprobe heraus, dass dieser 40% Polyester enthielt, aber da waren bereits 8m davon gekauft. Es ist auch gar nicht so einfach, preisgünstig an einen "edel" aussehenden Stoff in der richtigen Farbe zu kommen.

Schnitterstellung

Wir hatten bei dem NSC bereits Maß genommen (lieber zuviele Daten als zuwenig erheben, man kann nie wissen, wozu man "Innenbeinlänge" mal braucht!), doch standen wir jetzt vor dem Problem, aus den Maßen einen Schnitt zu machen. Kommerzielle Schnittmuster helfen bei eigenen Entwürfen nicht viel, höchstens, sich über die ungefähren Formen der Schnitteile klar zu werden.

Lösung: Man sucht sich ein Kleidungsstück (oder eine Kombination aus mehreren), deren Form passt und kopiert den Nahtverlauf. Das Doublet entstand auf der Basis meines grauen Wamses, eines Theaterkostüms, das den notwendigen tiefen V-Ausschnitt und ähnliche Schultermaße hatte. Außerdem waren Grundschnitte aus "Costume Diaries" im Internet und viel Packpapier hilfreich, auf das der Schnitt mit Hilfe des Maßbandes gezeichnet wurde. Da historische Korrektheit nicht nötig war, hatte das Kostüm - wie das Wams auch - vier Abnäher, um eine schlankere Taille zu erreichen. Nach dem Papierschnitt habe ich aus häßlich pinkem Stoff ein Probestück genäht, um den Sitz zu kontrollieren und zu sehen, ob die geschlitzten Rundschöße funktionierten. Die Ärmel mussten mehrmals geändert werden, da sie zuerst zu sehr spannten. Foto Anprobe

Die Hose war ein simpler Schnitt mit Tunnelzug, groß genug, um Spagat darin machen zu können.

Verzieren

Da das Kostüm für eine Theaterrolle gedacht war, durfte es ruhig übertrieben geschmückt sein. Obwohl zwei von drei männlichen Orgamitglieder lautstark ihren Protest gegen die Rüschen und den "California-Dreamboy-Schal" (O-Ton) aussprachen, wurden sie daher von den anderen sechs Verfechter(inne)n des ursprünglichen Entwurfes glatt überstimmt. An alle Kanten - ja, auch der Manschetten - kam eine Lage Rüsche, bedeckt von Goldborte innen und außen. Für den Manga-Style noch ein paar Goldkettchen und Löwengoldknöpfe an den Schultern, die für "Bling" auf den zweiten Blick (bei Scheinwerferlicht) sorgen sollten. Der Gewandgürtel mit goldener Schnalle wurde mit goldenen und roten Perlen verziert.

Happy Accessorizing

Es ist wichtig, bei Entwürfen immer als "Ganzes" zu denken, denn erst das Zubehör macht ein Kostüm lebendig. Für den Lorbeerkranz wurde einfach eine Plastikversion bei Karnevalswierts gekauft, die dann "gepimpt" wurde, d.h. mit Schraubenzieher (mehr Relief) bearbeitet, mit brauner und schwarzer Farbe (Plastikglanz abdunkeln und durch Betonung der Blattadern mehr Struktur) und Goldfarbe bepinselt (für die häßlich-gelbe Rückseite der Blätter) sowie mit Perlen und Seidenband benäht (mehr Prunk und Draht verdecken). Der Rundschild mit gegossenem Latex-Löwenkopf wurde für den Con gebaut. Die Schwertscheide wurde aus rotem Leder genäht und für den Schwertgurt habe ich einen rostroten Spätmittelalter-Gürtel mit Schuhcreme dunkelrot eingefärbt. Das größte Problem waren die Schultern. Unsere übliche Konstruktion aus mit Stoff und Schrägstreifen bespanntem Moosgummi konnten wir nicht verwenden, da der NSC darin auch kämpfen sollte und die Schulter das Gewicht des Capes und der Dekolöwenköpfe, die statt aus Pappmaché aus Latex waren, tragen sollte. Wie die Schultern schlußendlich gebaut wurden, dokumentiert TobiasCronert in Anwendungsbeispiel Tioschultern unter GewandungstippsSchultern.

Das Endprodukt

(die schlechte Qualität der Fotos bitte entschuldigen)

Legt man Skizze und Fotos des fertigen Kostüms nebeneinander, fällt auf, dass bis auf Details (zwei Gürtel statt einem, angesetzte Rüsche statt Hemd, unsichtbare Häkchen statt Posamentenschließen am Bauch...) das Kostüm vollständig umgesetzt werden konnte. Einige Dinge waren sogar besser als im Entwurf: Der NSC brachte einen weißen Seidenschal, der dann mit einer goldenen Brosche befestigt wurde, und Lederhandschuhe mit und statt dem Schwert, das wir ausgesucht hatten, benutzte er sein eigenes Rapier und Parierdolch. Wir jedenfalls sind stolz, dass die Vorplanung aufging, nur leider hat das Kostüm gelitten, denn es wurde mit Kunstblut eingesaut, das auch Abtönfarbe enthielt und die Flecken gehen nicht mehr raus. Aber der Auftritt war es wert!

-- Maria, 1.10.2008


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