LarpMeinung: Für Waffenfertigkeiten in Punkteregelwerken
Mit einer gewissen Regelmäßigkeit wird vor und nach den Drachenfesten über die Tatsache debattiert, daß das dort verwendete Regelwerk Punktekosten für die Verwendung verschiedener Waffenarten ansetzt. Eine erstaunlich hohe Zahl von Spielern ist - vermutlich unter Anderem aus der Tradition von DragonSys heraus - der Ansicht, daß auch in einem Punkteregelwerk die Waffenbenutzung ausschließlich nach DKWDK geregelt sein sollte. Wer etwas OutTime könne, brauche dafür auch keine Regel und wer es nicht könne, dem helfe auch keine Punktefertigkeit. Auch sei es doch unplausibel, wenn jemand nicht in der Not eine zufällig herumliegende Waffe nehmen könne, nur weil dafür etwa die Fertigkeit fehlt.
Ich persönlich finde jedoch, daß zu einem aufstiegsbasierten Punkteregelwerk Waffenfertigkeiten aus Gründen der Gleichbehandlung und Spielbalance zwingend dazugehören.
Ich bin der letzte, der Punkteregeln per se verteidigt, aber wenn man sie schon verwendet, dann sollten Punkte auch konsequent für alle spielrelevanten Fertigkeiten verwendet werden. Streng genommen wären nicht nur Waffenfertigkeiten, sondern sogar Rüstungsfertigkeiten in einem aufstiegsbasierten Punkteregelwerk nur plausibel, aber hier traut sich wohl kaum ein Regelautor, das Zugeständnis an den OT-Aufwand, sich Rüstung zuzulegen, nicht zu machen.
Punkteregeln haben zwei mögliche Funktionen.
- Beschränken dessen, was der Charakter darf, vorausgesetzt, der Spieler kann es (simulieren)
- Ermöglichen von Dingen, die der Charakter kann, obwohl es der Spieler nicht kann.
Wer Waffenfertigkeiten in einem Punkteregelwerk für überflüssig hält, sieht offenbar nur den zweiten Aspekt. Ich halte den ersten aber für viel entscheidender.
Es herrscht wohl Einigkeit, daß jede Fertigkeit dargestellt werden muß. Viele gehen nun davon aus, daß alles, was real getan werden kann (kämpfen, Rüstung tragen) keine Regel braucht. Alles, was man real nicht kann (Magie, Alchemie, etc.) braucht aber eine Regel.
Wenn man nun aber den Begriff "Etwas OutTime tun können" auf die spieltechnische Simulation (Hande wedeln, buntes Wasser anrühren) erweitert, stellt man fest, daß kein nennenswerter Unterschied mehr zwischen den Fertigkeitengruppen besteht. Der Spieler eines Kriegers kann kämpfen oder nicht, Rüstung tragen oder nicht. Der Magier kann ein Ritual oder einen Spruch darstellen oder nicht, der Alchimist hat ambientige Retorten, in denen er buntes Wasser anrühren kann oder nicht. Wenn man das "Du kannst was Du kannst" auf "Du kannst was Du darstellen kannst" erweitert, ist die oben genannte ermöglichende Funktion der Punkteregeln also eigentlich gar nicht mehr nötig. Viele LARPs werden alleine mit diesem Prinzip veranstaltet.
Die für mich einzige Berechtigung von Punkteregeln ist folglich die oben genannte beschränkende Funktion der Punktefertigkeiten. Man will, daß die Charaktere ausbalanciert werden, nicht alles gleichzeitig können, ihre Fertigkeiten allmählich lernen. Man will beschränken, was der Spieler tun oder darstellen darf. Unter dem Gesichtspunkt der Beschränkung von Charakteren ist aber nicht einzusehen, warum die Möglichkeiten des Zauberns oder der Alchimie beschränkt werden, die des Waffen oder Rüstungen Verwendens aber nicht.
Auch ein OutTime geübter Kämpfer soll InTime nur dann kämpfen können, wenn er dafür seine Punkte aufwendet. Das bremst Alleskönner wenigstens etwas aus. Daraus soll nun aber nicht resultieren, daß jemand, der OT nicht kämpfen kann, sein Unvermögen durch eine Punktefertigkeit ersetzt. Man kann aber ggf. schlechter kämpfen müssen, als man OT könnte, weil der Charakter 0 Punkte in der betreffenden Waffenfertigkeit hat. Eine Methode, an dem Dilemma vorbeizukommen, daß man eine Waffe gar nicht nutzen kann, wäre, daß jemand, dem die Fertigkeit fehlt, nur parieren darf, ohne Schaden zu verursachen.
RalfHüls, 10.08.2006
Weiterhin beobachtet man in vielen Regelwerken, in denen ein Spieler keine Punkte für Waffenfertigkeiten ausgeben muss oder kann, dass sich gerade bei Kämpfern (also Soldaten, Rittern, etc.) die Frage herauskristallisiert: "Wohin mit meinen Erfahrungspunkten". Da Dinge wie Feuer machen, Erste Hilfe und Lesen und Schreiben (wobei gerade die letzten beiden Punkte nicht auf jeden Kämpfer passen) fast schon ein Standard für die meisten Krieger sind und ohnehin nur wenige Punkte verbrauchen, sind die einzigen Möglichkeiten, auch weiterhin Punkte auszugeben, entweder der massive Ankauf von zusätzlichen Trefferpunkten (Kämpferschutz), was noch im Rahmen des Vernünftigen liegt, oder der Erwerb von Immunitäten, die in den seltensten Fällen zum Charakterkonzept passen.
Wem das nicht genug ist, der investiert seine Punkte schließlich in Fertigkeiten wie Regeneration, was eigentlich ziemlicher Unsinn ist, da einem Menschen nun mal von Natur aus keine Arme mehr anwachsen. Oder aber man pumpt alle Punkte in Dinge wie Heilkunde, Alchimie oder Kräuterkunde, womit man dann aber den Heilern, den Alchimisten und Gelehrten das Rollenspiel klaut.
Unter diesem Blickwinkel dürfte es das Rollenspiel noch weiter verbessern, wenn die Kämpfer für ihre Waffenfertigkeiten auch Punkte ausgeben müssen. Schließlich wäre es doch auch öde, wenn ein unerfahrener Wachsoldat mit der ganzen Palette an Waffen von der Hellebarde bis hin zur Armbrust alles benutzen könnte, nur da er von sich behaupten kann: "Ich kann so machen, als ob ich wüsste, wie man jemanden damit haut".
-- Ergänzung von PatrickC
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