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Meinung/Spielphilosophie/DKWDDK-Howto

DKWDDK-Howto

DKWDDK ist ein Modewort. Seine Befürworter*innen predigen seine Vorzüge als Allheilmittel gegen Pappnasentum und schlechte Darstellung. In jüngerer Zeit mehren sich aber auch die Berichte darüber, daß auf "DKWDDK"-Veranstaltungen Dinge passieren, die angeblich doch gerade von diesem Spielprinzip verhindert werden sollten. Teilweise liegt sogar der Verdacht nahe, daß Veranstalter*innen und Spieler*innen sich das Etikett "DKWDDK" anheften, weil es modern ist, aber eigentlich genauso weiterspielen, wie sie es aus ihrer hergebrachten Spielweise gewohnt sind.

Ich aber denke, daß DKWDDK nicht darin bestehen kann, daß man einfach (z.B.) DragonSys spielt und nur die Punktebeschränkungen für Charaktere wegläßt, sondern daß man umdenken und sich bewußt auf eine völlig andere Spielweise einlassen muß, wenn man vom fertigkeitenbasierten Punktespiel zum DKWDDK wechselt.

Tobias Seybold schrieb neulich mal:

  • "50% der Leute die DKWWDK, Opferregel oder ähnliche Konzepte aus diesem Umfeld propagieren und auch die meisten die dagegen argumentieren haben den methodischen Spielttheoretischen Ansatz dahinter leider nicht oder nur in Teilen verstanden".

Was aber ist der "methodische spieltheoretische Ansatz"? Was sind die Voraussetzungen und die Implikationen "echten" DKWDDK-Spiels. Das möchte ich hier mal aus meiner Sicht untersuchen. Sicherlich gibt es andere Ansätze, die vielleicht manche der folgenden Punkte aufgreifen und andere nicht.

Da ich in der Vergangenheit auch schon Diskussionen über die rein sprachliche Bedeutung des Begriffs "DKWDDK" erlebt habe, hier zunächst mein Verständnis dieser Phrase: "Du kannst, was Du darstellen kannst" bedeutet:

  1. Dein Charakter kann nur, was Du darstellen kannst.
  2. Dein Charakter kann alles, was Du darstellen kannst.

Eine angemessene Darstellung einer Handlung, Fertigkeit oder eines Effektes ist also zwingende Voraussetzung für deren Durchführung, ist aber auch (zumindest formal) die einzige Voraussetzung dafür. Insbesondere bedeutet das, daß Punkteregelwerke, die zusätzlich zu den Punktebeschränkungen eine geeignete Darstellung fordern, für mich nicht unter den Begriff DKWDDK fallen.

Vergiß symbolische Darstellung

Es gibt zahlreiche Methoden, spielrelevante Effekte symbolisch darzustellen. Ein roter Schaumstoffball ist eine Feuerkugel. Eine blaue Schärpe ist eine magische Rüstung. Ein Zettel mit der Aufschrift "Giftstachel" ist eine Falle. Beim darstellungsbasierten Spiel sollten solche Darstellungsformen unterbleiben. Das ist sicher nicht immer vollständig möglich, da der gewünschte Effekt gefährlich ist (ein Latexschwert ist immerhin auch nur ein Symbol für eine Waffe) oder einfach in der realen Physik nicht funktioniert. Dennoch sollte bei der Darstellung darauf geachtet werden, daß der gewünschte Effekt möglichst selbsterklärend und überzeugend vorgetäuscht wird.

Was den oft schwierig zu vermittelnden Unterschied zwischen "symbolischer" und "echter" Darstellung angeht, so kann man folgende Richtschnur als Veranschaulichung verwenden:

Wenn Deine Oma beim Betrachten der Szene, ohne Ansagen zu hören oder Text zu lesen, verstehen würde was da gerade vorgeht, ist es vermutlich ausreichend und nicht nur symbolisch dargestellt. Eine Spieler*in, die einen anderen Spieler mit einem Polsterschwert haut? Kein Problem. Ein Mann in Robe, der eine Formel über einem Ritualkreis spricht, worauf eine Nebelwolke erscheint und eine rotgeschminkte Gestalt mit Hörnchen daraus hervortritt? Sollte gut klappen. Eine Spielerin, die ein schwarzes oder grünes Stoffband an der Polsterwaffe hat? Nö, leider nicht. Jemand, der auf einen anderen zeigt und "Mentaler Nagel!" ruft? Wohl eher nicht. Eine Spieler*in, die einen Briefumschlag, der an einer Tür befestigt ist, öffnet? Auch nicht, sorry.

Bei der Magie ist es bei den Punkteregelwerken oft üblich, daß von der Zaubernden das Wirken des Zaubers dargestellt wird, der eigentliche Effekt aber nur durch die Bezauberte oder gar nicht. Zum Beispiel besteht ein "Windstoß" nach DragonSys darin, daß die Zaubernde den Spruch sagt und mit der Komponente wedelt und der Bezauberte zurückweicht, aber es gibt keinen Wind. Darüber, ob das im DKWDDK-Spiel eine angemessene Darstellung wäre, kann sicherlich trefflich gestritten werden. Letztlich ist das Vereinbarungssache.

Dieser Punkt gilt auch und insbesondere für Orgas, die natürlich genausowenig bei ihrer Schilderung der Spielwelt auf symbolische Darstellung zurückgreifen sollten und die Plots und Spielszenarien nicht so gestalten sollten, daß die Spieler*innen zu deren Lösung auf symbolisch dargestellte Aktionen zurückgreifen müssen.

Vergiß Ansagen

Ansagen von spielrelevanten Effekten, Schadenszahlen, Zaubern und dergleichen sind OT und stören schon alleine dadurch das Spiel. Es ist aber darüber hinaus auch ein sehr einfacher Weg zu erkennen, ob die Darstellung einer Aktion wirklich angemessen ist, wenn ohne eine OT-Ansage verstanden wird, was die Handelnde erreichen will. Daher sollten im darstellungsbasierten Spiel solche Ansagen überflüssig sein und unterbleiben. Effekte, die eine solche Ansage zwingend erfordern, sind dann eben nicht darstellbar und müssen weggelassen werden.

Vergiß passive Fertigkeiten

Unverwundbarkeit ist sehr leicht "darzustellen": reagiere einfach nicht auf Treffer. Das ist aber für die Handelnden wenig befriedigend. Daher sollten Fertigkeiten und Effekte, die darauf basieren, daß nicht gespielt wird, im DKWDDK tunlichst unterbleiben. Wenn es unbedingt sein muß, sollte eine abgeschwächte Ersatzhandlung für den Effekt ausgespielt werden oder das "Widerstehen" irgendwie aktiv deutlich gemacht werden ("Gedankentricks wirken bei mir nicht, nur Geld.").

Vorsicht mit Darstellung, die vom Effekt entkoppelt ist

Das betrifft zum Beispiel Alchimie. Egal, wie gut die Alchimist*in das Brauen des Trankes darstellt, die Anwender*in muß ihn nur trinken. Auch Segenssprüche oder Schutzzauber die eine Magieanwender*in auf andere spricht haben ein solches Problem. Meines Wissens gibt es keine wirklich zufriedenstellende Lösung für dieses Problem. Im Zweifel sollte man hier ähnlich verfahren, wie bei den passiven Fertigkeiten.

Vergiß am Besten gleich Fertigkeiten insgesamt

Punkteregelwerke sind eigentlich immer fertigkeitenbasiert. Vom P&P-Rollenspiel wurde der Ansatz übernommen, daß ein Rollenspielcharakter (u.a.) als Ansammlung einzelner Fertigkeiten aufgefasst werden kann, in denen sie einen bestimmten numerischen Fertigkeitenwert besitzt und die sie im Spiel anwendet. Spieler*innen definieren Charaktere über deren Fertigkeiten und Spielleitungen wenden viel Zeit damit auf, die Fertigkeitenlisten ihrer Spieler*innen zu kontrollieren und entwerfen Spielereignisse und Plots anhand der Fertigkeiten, die man braucht, um sie zu lösen.

Ich halte diese Sichtweise im DKWDDK für kontraproduktiv. Natürlich sollte man sich grundsätzlich überlegen, was der Charakter kann und was er nicht kann, aber ich ziehe es vor, wenn dabei etwas gröber auf Beruf, Tätigkeit, Charakterklasse, Herkunft statt auf einzelne Fertigkeiten im Sinne der P&P-Systeme abgezielt wird. Man sollte dann bei Bedarf, wenn eine Aktion gefordert ist, grob überlegen, ob der Charakter diese eher gut oder eher schlecht beherrschen würde und danach sein Spiel gestalten. Sich im Vorfeld schon auf bestimmte Fertigkeiten festzulegen, bzw. den Charakter als Summe seiner Fertigkeiten zu verstehen, verleitet meiner Meinung nach aber zu Verhaltensweisen, die zu stark am punktebasierten Spiel orientiert sind und beim DKWDDK eher stören.

Vergiß Fertigkeitenentwicklung

Ein guter Teil des Spaßes am P&P und nach meiner Erfahrung auch beim fertigkeitenbasierten Punkte-LARP, ist der Ausbau der Fertigkeiten des Charakters. Da ich die Sicht auf den Charakter als Fertigkeitenliste schon problematisch finde, gilt das natürlich um so mehr für das Spiel um den Erwerb neuer Fertigkeiten. Natürlich kann man in gewissem Maße auch das Können eines Charakters steigern, indem man z.B. allmählich "schwierigere" Aufgaben übernimmt, das Equipment des Charakters ausbaut und sich mit der Zeit aufwändigere Darstellungsarten ausdenkt. Ich glaube aber, daß im DKWDDK dieser Aspekt des Charakterspiels eine eher untergeordnete Rolle spielt und Charakterentwicklung eher eine soziale oder hierarchische Entwicklung ist.

Vergiß Schiedsrichter*innen

Eine Spielleitung als Schiedsrichter*in zwischen den Spieler*innen ist im DKWDDK überflüssig. Jeder ist seine eigene Spielleiterin. Die SL hat sich darauf zu beschränken den Plot zu steuern. Bestenfalls entscheidet sie da, wo die Spieler*in mit der unbelebten Spielwelt interagieren muß. Auseinandersetzungen zwischen Spieler*innen und (wenn die NSC ausreichend vorbereitet sind) zwischen Spieler*innen und NSC können diese selbst regeln. Ob eine Aktion Erfolg hat, bestimmt deren "Opfer". Bestenfalls sollte eine SL im Streitfall als letzte Vermittler*in fungieren.

Beschränke Dich selbst

Das A und O beim DKWDDK ist Selbstbeschränkung. Das Regelwerk schränkt die Charaktere nicht ein. Solange der Spieler etwas gut darstellt, kann der Charakter es tun. Daher ist es dringend angeraten, sich selbst zu überlegen, welche Aktionen zum eigenen Charakter passen, der jeweiligen Spielsituation angemessen sind, andere Mitspieler*innen in das Spiel einbeziehen und neues Spiel generieren.

Vergiß Wettbewerb

Wettkampforientiertes Spiel ist unter DKWDDK nur eingeschränkt möglich. Da es keine objektiven Kriterien für Erfolg gibt und jeder seine eigener Schiedsrichterin ist, ist es nur dann möglich eine Andere zu besiegen, wenn diese es zuläßt. Natürlich kann man in Teilbereichen (z.B. im Polsterwaffenkampf) Wettkampfregeln vereinbaren. Aber ein komplettes Spielszenario, bei dem mehrere Fraktionen gegeneinander gestellt sind, alle OT den Willen zum Sieg haben und der bessere gewinnt, ist schwer denkbar.

DKWDDK ist ein eher kooperativer Spielansatz.

Vergiß Powergaming

Eine der größten Befürchtungen von Punktespieler*innen ist, daß im DKWDDK aufgrund der fehlenden Beschränkungen unsterbliche Alleskönner*innen an der Tagesordnung sind. Ich mache diese Erfahrung eigentlich nie. Ich habe die Theorie, daß Powergaming unter punktelosen Regeln einfach keinen Spaß macht. Was nützt es denn, die Alleskönner*innen zu sein, wenn das jeder könnte? Der Reiz des Powergamings beim Punktespiel ist ja gerade, daß man alles mühsam erspielt hat (oder sich zumindest den Anschein gibt) und andere es nicht können. Insofern glaube ich, daß DKWDDK einfach weniger Powergamer*innen anzieht, weil es für diese uninteressant ist.

Aktive Power-Fertigkeiten nützen einem ohnehin nicht viel, da man die anderen nicht gut zwingen kann, auf diese einzugehen. Bleiben die passiven Fertigkeiten. Und da gibt es sicher mal den ein oder anderen, der im Kampf nicht umfällt. Ich finde allerdings, daß das relativ leicht zu verschmerzen ist. Und wer es übertreibt, handelt sich damit auch einen entsprechenden Ruf und die entsprechenden Reaktionen ein.

Spiel irgendwas

Nimm das Spiel der Anderen an, reagiere auf Aktionen, halte das Spiel am Laufen. Mach Dir keine Sorgen darüber, das "Richtige" zu tun, sondern Spiel irgendwas, was Dir in der Situation passend erscheint.

Selbst als Reaktion auf "schlechte" Darstellung ist das Ignorieren von Spielaktionen eine eher schlechte Lösung, die wirklich nur dann gewählt werden sollte, wenn nichts mehr hilft. Ansonsten sollte man eine Aktion, mit der man aus den verscheidensten denkbaren Gründen nicht einverstanden ist, und deren Folgen man nicht so ausspielen will, wie es das Gegenüber vielleicht geplant hat, wenigstens mit einer Ersatzhandlung als Reaktion honorieren.

Vergiß reproduzierbare Effekte

Da jede Spieler*in seine eigene Spielleiter*in ist und es keine vorgeschriebenen Effekte gibt, sind die Ergebnisse einer Aktion nicht vorhersehbar und nicht reproduzierbar. Jede Spieler*in, den Du Angreifst, hat eine andere Vorstellung von dem Schaden, den Deine Waffe an ihrer Rüstung anrichtet. Jede Spieler*in, die Du verzauberst, bewertet Deine Darstellung anders und interpretiert die Wirkung des Zaubers anders und wird anders reagieren. Das ist kein Fehler, sondern ein erwünschter Nebeneffekt des punktelosen Spiels.

Daß unerwartete Dinge passieren, ist ein Vorteil, kein Nachteil. Das macht die Sache spannend. Gerade bei Magie finde ich persönlich es reizvoll, wenn sie unberechenbar bleibt.

Erhebe keinen Anspruch auf bestimmte Reaktionen auf Dein Spiel

Das allerwichtigste bei diesen ganzen offenen Spielkonzepten wie DKWDDK, Opferregel, usw., ist für mich, daß man sich von der Idee freimacht, einen Anspruch gegen die Mitspieler*innen oder die Spielwelt zu haben, daß die eigene Aktion irgendeinen bestimmten Effekt hat.

Die Punktespieler*in hat, wenn sie eine Fertigkeit regelkonform anwendet, einen Anspruch darauf, daß ihre Mitspieler*in auf genau die von den Regeln vorgesehene Weise reagiert (es sei denn, die hätte eine Fertigkeit, die diese negiert, die dann aber auch klar von der Regel festgelegt ist). Im DKWDDK gibt es keinen solchen Anspruch. Man muß offen für andere Sichtweisen und andere Interpretationen der Spielwelt sein. Da die Mitspieler*in über den Ausgang jeder Aktion (mit-)entscheidet, macht man sich automatisch mehr Gedanken darüber, ob die eigene Sicht der Situation wirklich "objektiv" ist.

Deine Mitspieler*in wird Deine Aktion annehmen und damit irgendwas machen. Vielleicht nicht das, was Du erwartet hast, aber etwas, mit dem Du weiterspielen kannst. Laß Dich darauf ein.

Vergiß Dogmen

DKWDDK ist kein Allheilmittel. Es ist noch nicht einmal für jede Spieler*in und jede Art von Spiel geeignet. Bestimmte Sachen, die manchen Leuten wichtig sind, funktionieren einfach im DKWDDK nicht. Wenn Du irgendwelche der genannten Aspekte, wie ein Wettkampfelement, eine feste Ursache/Wirkung-Kausalität, Fertigkeitenspiel und Charakterentwicklung, abgedrehte und schwer darstellbare übernatürliche Phänomene oder auch nur eine nachvollziehbare Spielbalance in einer völlig inhomogenen, einander unbekannten Spieler*innenschaft schätzt, dann laß die Finger vom DKWDDK und laß Dir von seinen Aposteln nicht einreden, daß mit DKWDDK alles besser würde.

Vergiß diese Howto

Das eigentliche Problem ist, daß DKWDDK weder eine feste Regel noch eine Philosophie ist, sondern nur ein griffiges Schlagwort. Die konkrete Ausformulierung kann sehr unterschiedlich ausfallen. Und auch diese "Howto" ist auch nur wieder eine weitere von vielen Interpretationen1. Es gilt immer im Einzelfall herauszubekommen, wie die Orga und die Mitspieler*innen den Begriff interpretieren.

-- RalfHüls 2011-02-25 16:32:05 mit Anmerkungen von ChristianSpalthoff und Neniel

1 Wenn auch natürlich die einzig Richtige ;-) R.H.