Schmiedekunst Wissen
Vorwort
Aus unerklärlichen Gründen spielen viele Larper einen Schmied auf einem Larp und einige mehr haben einen Hintergrund als ehemaliger Schmied. Da eine Schmiede bis auf ganz, ganz wenige Fälle immer eine feste Angelegenheit ist, ist das zwar ein wenig befremdlich, aber wenn es glücklich macht...
Hier ist eine kleine Einführung in die Grundlagen am Beispiel der idealisierten Herstellung eines Messers.
Das macht der Messerschmied
Der Schmied schnappt sich eine Stahlstange (oder einen -barren, je nachdem, was geliefert wurde). Diese legt er in seine Esse und erhitzt sie. Wenn die Stange im passenden Bereich die erwünschte Temperatur erreicht hat, nimmt der Schmied die Stange und hämmert diese auf dem Amboss in Form. Danach taucht er den Messerrohling in Kühlflüssigkeit und härtet ihn so. Als letztes erwärmt er ihn wieder, um ihm etwas Härte zu nehmen und im Ausgleich viel Flexibilität zu geben.
Und jetzt mal in Details:
Darum macht der Schmied das
Der Schmied schnappt sich eine Stahlstange
Stahl ist letztlich ein Gemisch aus Eisen und einem kleinen bischen Kohlenstoff. Und meist einem Haufen Beimengungen, die natürlich oder künstlich noch dazu gekommen sind, wie Chrom oder Mangan. Der Kohlenstoff sorgt für die Härtbarkeit, Eisen an sich ist nämlich recht weich. Kohlenstoff kann man auch noch nachträglich einbringen, aber dazu mehr beim Abschnitt zum Härten. Um die Verwirrung komplett zu machen, nennen viele Leute in metallverarbeitenden Berufen Eisen ohne Kohlenstoff dann doch Bau-Stahl... und mit modernen Mitteln kann man Stahl auch mit Stickstoff härten und auf Kohlenstoff verzichten. Das ist aber für die historische Betrachtung eher unüblich.
(oder einen -barren, je nachdem, was geliefert wurde) Hergestellt wird sowas, indem man Eisenerz in einem Ofen erschmilzt. Das kann ein moderner Hochofen oder ein antiker Rennofen sein. Siehe Rennofen
Heute kauft man Stahl nach Werkstoffnummer im Stahlhandel, früher war es Erfahrungssache. Um rauszufinden, ob und wieviel Kohlenstoff in einem Stück Stahl ist, kann man den Stahl beispielsweise schleifen, bis Funken fliegen: Stichwort Funkenprobe. Einfach gesagt: Je stacheliger die Funken, desto mehr Kohlenstoff.
Dann kann man eine Probe mal kurz härten und zerbrechen, um sich das Gefüge an der Bruchkante anzuschauen... aber all das ist wirklich Erfahrungssache.
Diese legt er in seine Esse und erhitzt sie
Eine Esse ist letztlich ein großer Kamin. Eigentlich braucht man nur ein heißes Feuer, aber wenn man Temperaturen bis etwa 1300°C erreichen will, muss man wild tricksen. Ihr kennt das ja: Wärmestau, Luftzug und Kamineffekt... und letztlich auch die passende Kohle:
- Holzkohle ist beispielsweise eine tolle Sache, weil sie sehr heiß wird.
Zum Schmieden also ziemlich toll. Für Leute, die ihr Geld damit verdienen allerdings zu teuer.
- Koks, vulgo: Schmiedekohle, ist günstiger. Enthält aber auch Unmengen Schwefel und Schwefel wollen wir nicht an unserem Stahl. Schmiedekohle braucht daher einiges mehr an Technik: Zum einen muß man die Kohle erst etwas brennen lassen, bis der Schwefel raus ist. Zum anderen -und das ist eher positiv- backt sie zusammen. So ist der Kohlehaufen aussen recht kalt und innen sehr heiß. Die Kruste muß man immer wieder aufbrechen, nachlegen von kohle verlangt, daß man wieder aus entschwefeln warten muss...
- Faulpelze dieser Tage benutzen einen Brenner mit Propangas und brauchen sich um Verunreinigungen nicht zu kümmern.
Wenn die Stange im passenden Bereich die erwünschte Temperatur erreicht hat
Und das ist ein Erfahrungswert. Zum Glück hilft die Glühfarbe: Diese wandert von Dunkelrot bis weiß. Weiß ist meist irgendwo zwischen 1300° und 1500°C erreicht. Danach schmilzt der Stahl. Diese weiße Farbe zeigt die ideale Temperatur, um Stahl in der Esse zu verschweißen. Dummerweise kommt irgendwann bei so hohen Temperaturen das Feuerwerk: Sobald der Stahl wie wild funkt, verbrennen gerade die Kohlenstoff-Teilchen. Und damit ist der Stahl zur Härtebehandlung nutzlos. Zum Schmieden reicht auch weniger Temperatur: Kirschrot ist eine gute und sehr sichere Farbe. Wird der Stahl zu kalt, läßt er sich nur noch schwer verformen und es kommt zu Spannungen im sich abkühlenden Metall. Also lieber wieder in die Esse...
nimmt der Schmied die Stange Aber bitte mit einer Zange. Zwar ist der durchschnittliche Schmied recht hitzegewohnt und mit einer langen Stange und einem nassen Handschuh arbeitet es sich auch bequem, aber Zangen sind das Handwerkszeug des Schmiedes: Typischerweise paßt ein guter Schmied sich erstmal eine Zange für sein Werkstück an.
und hämmert diese auf dem Amboss in Form Und das ist Übungssache. Schmieden ist Ausdauersport. Ein guter Amboß (50kg kann man noch mit auf Reisen nehmen), ein vernünftiger und ans Ambossgewicht angepaßter Hammer und eine ordentliche Technik (Beschleunigen erst mit Schulter, dann mit dem Oberarm und zuletzt mit dem Handgelenk) sind Übungssache.
Danach
Naja. Wenn er wirklich gut und schnell war macht der Schmied das sofort nach dem letzten Schmieden. Wenn der Stahl schon etwas erkaltet war, hat er vielleicht noch einige Spannungen, die aus dem Temperaturunterschied Oberfläche und Kern resultieren. Üblicherweise glüht man den Stahl also nochmal spannungsfrei.
Dann kann man sich auch gut um die benötigte Temperatur kümmern. Das Standardwerk, der Stahlschlüssel, gibt genau an, welche Temperatur die ideale Härtetemperatur ist - das ist abhängig von Kleinkram wie dem Chromanteil (je mehr Chrom, desto höher die notwendige Temperatur). Stähle mit etwa 1% Kohlenstoff und sonst wenig Beimengungen haben die lustige Eigenschaft, am Curie-Punkt (das ist der Punkt, wo der stahl nicht mehr magnetisch ist) auf Härtetemperatur zu sein - ob oder besser wo und wann das im Mittelalter bekannt war, ist mir unbekannt. Andere Stähle brauchen Praxis... oder ein ziemlich teures Hochofenthermometer...
Der mittelalterliche Schmied hingegen mußte anhand der Glühfarbe für einen Stahl mit ihm recht wenig bekannten Eigenschaften das alles abschätzen - das ist eine wirkliche Leistung!
taucht er den Messerrohling in Kühlflüssigkeit
Kühlflüssigkeit ist übrigens nicht immer Wasser. Manche Stähle vertragen den Temperaturwechsel nicht so gut. Dann macht es einmal "Pling!" und man hat eine gute Gelegenheit, die Bruchkante des Stahls mal genau anzugucken. Viele Stähle härtet man in Öl. Das Standardbuch für Stähle, der Stahlschlüssel, gibt an, ob ein Stahl ein Ölhärter oder ein Wasserhärter ist. Manche Ölhärter kann man auch in 60°C warmen Salzwasser härten - hier gibt es tausende Spielarten.
und härtet ihn so Na gut. Im Großteil der Fälle: Dann, wenn genügend Kohlenstoff drin war. Wenn nicht, kann man immer noch versuchen, den Stahl aufzukohlen: Dazu packt man den Stahl in viel Ruß und erwärmt ihn: Der Kohlenstoff aus dem Ruß wandert langsam in den Stahl. Das ist allerdings sehr langwierig: Alle 10 Stunden werden 0,1mm durchdrungen, wenn ich mich recht entsinne.
Als letztes erwärmt er ihn wieder, um ihm etwas Härte zu nehmen und im Ausgleich viel Flexibilität zu geben
Ein langer Satz, der etwas Aufmerksamkeit verdient: Ein gehärtetes Stück Stahl ist brüchig. Erst nach diesem weiteren Erwärmen, dem Anlassen, wird der Stahl flexibel. Anlassen tut man bei Temperaturen von 150°C (klassische Carbonstähle) bis zu 550°C (das Sekundärmaximum bei Federstählen und fiesen Chromstählen). Heute macht man das vielleicht im Backofen, früher hatte man hier auch wieder eine Farbe, die Anlassfarbe, an der man sich orientieren konnte: Stahl verändert sich von geoldgelb nach bläulich bis grau, wenn er angelassen wird.
Profis machen Härten und Anlassen übrigens in einem: Der Stahl wird einmal kurz abgeschreckt, dann wieder aus der Kühlflüssigkeit genommen und mit der Restwärme des Stahls wird das Werkstück dann angelassen. Zugegebenermaßen geht das bei Meißeln, die nur an der Spitze gehärtet sind, viel einfacher als bei Messern, bei denen nur der Erl ungehärtet bleibt.
Varianten
Das alles beschreibt natürlich nur die Herstellung eines Messers. Andere Tätigkeiten lassen Teilbereiche aus oder betonen sie unterschiedlich:
Ob und wie Rüstungen gehärtet wurden, ist historisch fraglich (zum Glück ist "historisch" ein ziemlich großer Bereich) und natürlich von der Qualität der Rüstung abhängig. Siehe RuestungsHaerte.
- Ein Großteil der Arbeit wurde übrigens kalt durchgeführt. Einige Rüstungen wurden vermutlich nur aufgekohlt. Siehe Brian R. Price "Recreating medieval armour" und die üblichen Gildenabbildungen
- Beim Herstellen von Rüstungen ist die Formgebung die schwerste Aufgabe. Das Härten, wenn denn durchgeführt, kann man viel ruhiger angehen als bei Messern, wo der Härteprozess das A und O ist.
- die meisten Haushaltsgegenstände müssen nicht gehärtet werden.
- Nicht mal alle Messer wurden gehärtet - oft gab der billige Messerstahl es nicht her. Siehe "Knives and scabbards" aus der Themsefunde-Reihe für Vickers-Härtewerte.
Wissenschaft
Der Prozess beim Härten und Anlassen eines Stahl ist ein wenig kompliziert. Er beruht darauf, daß die Materialstruktur(-en) sich bei unterschiedlichen Temperaturen umwandeln. Simplifiziert will man eine harte Struktur eingebettet in einer federnden, wenn man ein Messer macht. Die harte Struktur kriegt man durchs Härten, die federnde durchs Anlassen. Siehe Martensit
Kommentar:
Durch das "Abschrecken" beim Härten werden die Kohlenstoffteilchen in die Molekularstruktur des Eisens "gedrückt", wo durch eine stabilere Teilchenstruktur entsteht. Daher kann man z.b. Guss, welcher extrem hart ist ( resultierend aus dem hohen Kohlenstoffanteil) nicht schmieden, sondern nur giessen (deshalb ja auch Gusseisen ;-))
Wen Funkenbild, Glühfarbe etc. interessieren, der kann sich ein sog. "Tabellenbuch" kaufen, im Grunde genommen die Bibel der Schlosser. Darin wird auf all das, und auf einiges mehr (Härtegrade, Legierungen, Schmelztemperaturen, Kohlenstoffwerte [in diesem Zusammenhang auch über- und untertektoide Stähle] etc.) eingegangen. Oder ihr fragt dem Schlosser eures Vertrauens einfach Löcher in den Bauch.
- Philipp K.
Siehe auch:
Siehe auch: RüstungsHerstellung
Bauanleitungen: Lanzenspitze: Anleitung Pdf