Grundausstattung für eine Hobbitdame
Diese Anleitung wurde von Alanis im Rahmen des "50 Euro, 100 Tage Wettbewerbs" im LarpeR-Ning erstellt.
Die Idee
Neulich Abend sahen mein Mann und ich uns mal wieder den 'Herrn der Ringe' an und im Auenland hüpften diverse fröhliche Hobbitdamen herum. Da ich die Statur und die Gefräßigkeit eines Hobbits besitze - und zudem 5 Meter Stoff gekauft hatte, die noch nicht verplant waren -, fiel also die Entscheidung, mich an dem Kostüm zu versuchen.
Rosie Hüttinger gefällt mir hier ziemlich gut: http://www.herr-der-ringe-film.de/v3/media/darsteller/rosie/Rosie-cb57644.jpg und hier natürlich auch: http://www.herr-der-ringe-film.de/v3/media/darsteller/frodogamgee-cb62695.jpg
Was hat die Dame denn an?
Ich habe mich entschieden, einen etwa knöchellangen Rock mit Unterrock zu nähen. Dazu noch einen Weiberspeck, um meine ohnehin schon ausladenden Hüften nochmal ein wenig zu betonen. Oben trägt die Frau von We...eh, Hobbingen eine Bluse mit kurzen Ärmeln, die ich versuchen werde an den Bündchen zu smoken. Und darüber kommt ein gefüttertes Mieder, das mit einem kontrastfarbigen Einsatz versehen wird und das im Rücken geschnürt werden soll. Ob noch Geld für Borte, Stickgarn, Schnüre oder Knöpfe da sein wird, bleibt abzuwarten. Und möglicherweise gibt's ja noch ein Restehäubchen? Und eine Schürze?
Das Material (1. Schätzung vor Nähbeginn / reale Ausgabe)
5 Meter fliederfarbener Wollstoff (reduziert bei Karstadt, für Rock und Mieder) - 25 € (nach Zuschnitt stellt sich heraus - ich habe 2,50 m gebraucht - 12,50 €)
7 Meter Bomull (IKEA, für Unterrock, Schürze, Bluse, Haube, Miederfutter und den Weiberspeck) - 14 € (nach dem Ausschneiden ergab sich, dass ich lediglich 6 Meter Stoff gebraucht habe - 12 €)
1/2 Meter Stoff aus meinem Stoffregal (mal sehen, welchen ich nehme) für den kontrastfarbigen Einsatz im Mieder - pauschal 2 € (alte Gardine, Geschenk von Oma, ergo 0 €)
Borten, Rüschen, Wolle, Knöpfe, 1 Rolle gutes Garn - pauschal 7 € (2 € für 2 Hosenhaken, 1 € für fünf kleine Metallknöpfe, die ich im Sozialkaufhaus abgestaubt habe, für den Unterrock 3 Meter Borte à 2 € = 6 €, 2 Rollen gutes Garn à 3,10 € = 6,20 € und 200 Gramm Kosmetikwatte für 3 €, 2 Meter Borte à 1,75 € für die Haube, 1 Strang Sticktwist für Nestellöcher und Haube à 1,20 €; 2 Meter Satinband 6 mm von der 10 Meter-Rolle für die Miederschnürung, anteilig 0,33 € - gesamt also 23,23 €)
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50 € (49,73 € exklusive Baldriantabletten für meinen Mann)
Augen auf beim Stoffekauf, oder: Was muss ich denn so beachten?
Ein kleiner Ausflug in die Welt der Stoffe für diejenigen, die Jersey für einen Kanalinsel halten:
Fürs LARP eignen sich vor allem Naturfasern gut. Wolle, Leinen, Baumwolle, Seide, Brokat etc. Natürlich wird Euch niemand den Hals umdrehen, wenn die Wolle ein wenig Kunstfaseranteil hat. Solange die Stoffe nicht zu sehr glänzen oder offenkundig Kunstfaser sind, ist alles gut. Was Pannesamt angeht: lasst es. Der Stoff ist nicht wirklich formstabil und provoziert spontane Ohnmachtsanfälle bei Leuten, die viel Wert auf eine gewisse historische Anlehnung legen. Und bevor Ihr Erste Hilfe leisten müßt - ich denke wir verstehen uns.
Ihr müßt einen gekauften Stoff immer vorwaschen, bevor Ihr in verarbeitet. Die meisten Stoffe sind mit einer sogennanten Appretur behandelt, die rausgewaschen werden muss. Beim ersten Waschen wird der Stoff naturgemäß noch etwas einlaufen, bei Baumwolle sollte man z.B. mit 4-6 % Schrumpfung rechnen. Deswegen immer ein wenig mehr Stoff beim Kauf kalkulieren.
Achtet darauf, ob der Stoff in der Maschine oder per Hand gewaschen werden muss. Seid Ihr unsicher, macht Euch vorher im Internet schlau. Das fertige Kleidungsstück solltet Ihr später nie heißer waschen als erlaubt oder bei manchen Stoffen (Waldloden, Wollfilz, Seide, Brokat etc.) sogar ganz darauf verzichten, falls möglich. Ein Gang in die Reinigung bleibt bei manchen Stoffen leider nicht aus.
Die Konzeptskizze - das Grauen hat einen Namen
So mancher LARP-Anfänger wird sich jetzt an den Kopf greifen und sich fragen, wieso das sein muss. Zeichnen kann schließlich nicht jeder. (Ich übrigens auch nicht - egal!!!) Aber wäre es nicht eigentlich ganz schön, die Kleidungsidee mal an der eigenen Gestalt zu sehen?
Mein Tip: Druckt Euch einfach mal ein Bild aus, in dem die menschlichen Proportionen gut zu erkennen sind. Da gibt es zum Beispiel hier:http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Human_body_proportions2_svg.svg&filetimestamp=20100430000231
Wenn Ihr das Bild ausgedruckt habt, paust die Umrisse durch (Butterbrotpapier ist toll, aber auch eine olle Klarsichtfolie kann hier nützlich sein) und verändert sie ein wenig, um Eurer Körperform gerecht zu werden. Seid ehrlich! Es nützt Euch nichts, die wunderbarste Hochelbengewandung an einer Zeichnung gestalten, die auf Größe 36 hindeutet, wenn Ihr selbst Größe 44 tragt. Am besten legt Ihr ein Photo von Euch in normaler Kleidung daneben, um Euch ein wenig einschätzen zu können.
Und da ist es nun - mein Moppel-Ich:
Mit solch einer Skizze könnt Ihr jetzt weiterarbeiten. Bilder im Ning oder im Internet wälzen, um sich inspirieren zu lassen. Und schließlich: Pauspapier drüber, ran an die Stifte, fertig, los! Und dann sieht das nach einer Weile vielleicht so aus:
Dann kann man das noch colorieren (warum habe ich keine Buntstifte hier im Büro?) und dann könnt Ihr Euer Machwerk kritisch beäugen, mit Freunden besprechen und überlegen, was noch fehlt oder verändert werden muss.
Ganz kundige Menschen machen das natürlich alles in Photoshop oder einem anderen Bildbearbeitungsprogram nach Wahl, aber ich fürchte, ich habe mehr Hüftumfang als Talent dafür.
Schnittmuster sind teuer - oder?
Schnittmuster kann man selbst auf Schnittmusterpapier machen, aber genauso gut tut es auch Zeitungspapier. Oder das Rollenpapier aus der Kinderabteilung bei IKEA.
Rock und Unterrock:
Ich habe dafür meine Taille ausgemessen, da die beiden Röcke später dort sitzen sollen. Es sind stolze 100 cm. Da der fertige Rock unten einen Umfang von ca 3,20 Metern haben soll (mit diesem Umfang lässt es sich gut energisch ausschreiten und der Faltenwurf ist auch schön), so wählt man z.B. vier Stücke, die oben je 25 cm breit sind und unten 80 cm breit sind. Die Länge der Stücke ergibt sich aus der Länge von der Taille zum Boden bzw. zu den Knöcheln, je nachdem, wie lang der Rock sein soll. Denkt an die Nahtzugaben! Wenn Ihr nämlich die Rockteile später aneinandernäht, dann fallen ja einige Zentimeter weg, die den Rock dann vielleicht zu eng am oberen Bund oder etwas zu kurz machen. Deswegen gilt: an jeder Seite mindestens 1, 5 cm Nahtzugabe geben! Lieber zuviel als zu wenig! Wegschneiden geht immer!
So, das ist mein Standard-Schnittmuster für bodenlange Röcke. Da der Hobbitrock ein wenig kürzer wird (Danke an Celefindel und Mimin für die Anregung), klappe ich den Teil unterhalb der gestrichelten Linie einfach ein und mache die Stücke einfach etwas kürzer. Denkt aber bitte daran, dass auch der Umfang des kürzeren Rocks groß genug sein muss, um mal einen weiten Schritt machen zu können! (Hab das mal mit den schwarzen Strichen angedeutet, wo ich das Muster kürze und verbreitere.)
Bluse mit variablem Ausschnitt und Kordelzug:
Die Bluse soll im Halsausschnitt variabel sein, d.h. sie kann als sog. 'Carmenbluse' getragen werden oder auch als Bluse, die etwas enger am Hals liegt. Das kann man durch einen Kordelzug erreichen - wie man den macht, erkläre ich Euch später. Für die Herstellung plane ich, aus der etwas dickeren Webkante des Ditte-Stoffs einen schmalen Streifen à 1 cm herauszuschneiden, ungefähre Länge von 120 cm. Das wäre erstmal nur ein Provisorium, vielleicht hab ich ja am Ende noch Geld für ein hübscheres Band übrig.
Das hier ist das Schnittmuster, das ich mir besorgt habe:
Zur Erklärung: Das linke Teil ist der Ärmelteil, das Rechte das Schnittmuster für das Vorderteil und das Rückenteil. Die rote Linie ist die Seite, die später am Stoffbruch liegt. Das bedeutet, dass Ihr später Euren Stoff einmal falten solltet. Das Schnittmusterteil wird dann mit der 'roten Kante' an die Falzkante angelegt und so müßt Ihr dann nur den doppelt gelegten Stoff ausschneiden.
Das rechte Teil müßtet Ihr zweimal ausschneiden, einmal so, wie es da liegt (natürlich im Stoffbruch) und einmal mit etwas mehr Ausschnitt (auch im Stoffbruch, die schwarz gestrichelte Linie beachten). Das erste Teil ist dann der Rückenteil, das zweite Teil der Vorderteil.
Das linke Teil müßt Ihr natürlich auch zweimal ausschneiden.
Was die Größe angeht: es ist eine weite Bluse. Also lieber Klotzen anstatt Kleckern. Nehmt für Vorder-und Rückenteil ruhig eine wenig mehr Breite, dann müßt Ihr Euch auch keine Sorge über Nahtzugaben machen. Achtet darauf, dass die Ausschnitte am Ärmelteil und am Vorder-/Rückenteil (hier grün markiert) ungefähr gleich lang sind. Warum das so ist, seht Ihr später.
Die Ärmellänge berechnet sich natürlich nach der Länge Eurer Arme, von der Halsbeuge bis zu den Handgelenken. Auch hier gilt: lieber ein paar cm zugeben, da der Halsausschnitt ja sehr nahe am Hals oder aber auch auf der Schulter liegen kann. Das Schnittmuster hier ist für einen langen Ärmel ausgelegt, aber natürlich kann es, wie beim Rock auf, auch ohne Probleme auf die Kurzärmellänge gekürzt werden (schwarze Linie, mal wieder).
Mieder:
Tja, ich gebe zu - jetzt wird es ein wenig komplizierter. Ich habe mir einen Schnitt erstellt, der aus den Teilen 1-4 besteht. Vorbild dafür ist dieses Kleider-Schnittmuster, das ich mir vor einiger Zeit mal gekauft habe: http://www.dorits-shop.de/images/Butterick/B4827.jpg Damit ich sehe, wie die Teile an mir zusammenpassen, habe ich sie mit Tesafilm zusammengeklebt und auf 'Puppi' geheftet. Und tja - es ist viel zu groß, es sitzt nicht und die Längen sind auch unterschiedlich. Da muss ich also nochmal ran.
Fertiges Schnittmuster??? Das hat nicht jeder, das will auch nicht jeder kaufen und mit durchschnittlich 10 € sind die Dinger auch nicht wirklich günstig. Zum Glück gibt es im Internet einige brauchbare Vorlagen, die ich gleich für Euch aufliste. Sucht Euch eine raus, die Euch gefällt und fangt einfach an, nachdem Ihr Euch ausgemessen habt. Wenn Ihr Zeitungspapier benutzt, dann sind die einzigen Kosten, die Euch entstehen, die für den Tesafilm. Und denkt dran, dass Ihr wieder die Nahtzugabe einrechnet - und die Tatsache, dass ich evtl. noch mehr Kleidung druntertragt!
Hier mal einige Links mit Vorlagen:
http://www.anima.eu.com/Anleitungen_Korsetts.htm#Mieder_/_Weste_
http://www.gewandnaeherin.de/gewandnaeherinneu/pattern/mieder.html
www.schnittmusterversand.de/product_info.php?info=p3151_600106-Zwischenmass-Schnittmuster-Mieder.html (die Schemazeichnung ist ganz gut)
http://www.natronundsoda.net/klamotten/cns/klamottenpage.html?id=6
Schneiderpuppe??? Die hat natürlich nicht jeder zuhause und billig sind sie auch nicht - leider. Alternativ könnt ihr die Stücke auch einfach mal anziehen und jemanden bitten abzuschätzen, ob das nun passt oder nicht. Oder Ihr baut Euch einen sogenannten Duct-Tape-Dummy (http://www.noile.net/wp-content/dtdducttape512.jpg). Dafür zieht Ihr Euch einen alten BH und ein altes T-Shirt an und lasst Euch von einer Person nach Wahl mit Duct-Tape einwickeln, bis Ihr ausseht wie frisch aus einem Science-Fiction-Film. Dieses Konstrukt wird dann vorsichtig von Eurem Helfer von Eurem Körper geschnitten. An der Schnittstelle wieder zusammenkleben, den Dummy ausstopfen (Bauschaum, alter Stoff, Füllwatte - formstabil muss es sein) und von Papa / Opa / Freund/in mit Bastelgeschick einen Ständer bauen lassen.
Und weiter geht's im Text. Nach ein wenig Rumgeschnippel, Kleben und Schneiden sieht das Ganze an der Puppe dann so aus:
So sieht das Ganze aus, nachdem ich es wieder auseinandergeschnitten habe. Teil 1 ist das Brustteil, Teil 2 das Seitenteil vorne, Teil 3 das Seitenteil hinten und Teil 4 ist der Rückenteil, wo später die Schnürung sitzen soll. Die Teile liegen so nebeneinander, wie sie später aneinander genäht werden soll. Und natürlich müssen auch die geraden, oberen Abschlüsse an den Teilen 1 und 4 oben zusammengenäht werden, um die Schulternaht zu bilden.
Dem aufmerksamen Leser mag auffallen, dass ich noch kein Schnittmuster für den andersfarbigen Einsatz gemacht habe. Das liegt daran, dass erstmal sehen möchte, wie das Mieder in dem Wollstoff wirkt und wie breit der Einsatz sein soll oder muss. So ein kontrastfarbiger Einsatz ist auch immer eine schöne Idee, falls man sich ein wenig vermessen haben sollte - dann sieht es direkt aus, als sei das alles so gewollt.
Häubchen:
Ich habe mich noch nicht so recht entschieden, welche Haubenform ich wählen werde, weil ja im Endeffekt die Reste entscheiden, was ich mache. Im Rennen liegen folgende Anleitungen, die ich alle ziemlich gut finde:
Magdhaube: http://www.larpwiki.de/cgi-bin/wiki.pl?Haube
Bundhaube: http://www.gewandungen.de/anleitungen/coif.html
Einfache Haube: http://www.gewandnaeherin.de/gewandnaeherinneu/pattern/haube.html
Schürze:
Geplant ist ein Schürzenkörper aus Resten des Zuschnitts. Darauf kommen noch Taschen und ein Bindeband. Wie das mit dem Bindeband geht (brauchen wir ja auch für die Bluse), erkläre ich später. Nur soviel: ich schneide dafür zwei schmale Streifen 10x140 cm , die ich später zusammennähe, um ein schönes, langes Schürzenband zu erhalten.
Weiberspeck:
Ein Weiberspeck ist das Nackenhörnchen für die Hüfte. Klar soweit? Ich habe ein Schnittmuster freihand gezeichnet, wobei ich den Innenradius so gewählt habe, dass er meine Hüften umschließt. Vorne wird er dann später mit einem - ja, genau, schon wieder - Bindeband geschlossen, von denen ich zwei aus Reste geschnitten habe: beide sind ca 70 cm lang und 5 cm breit und werden an den Ecken des Weiberspecks eingenäht.
Hinweis in eigener Sache: zur Erstellung der Schnittmuster, dem Abstecken der Teile an der Puppe etc. habe ich 3 Stunden gebraucht, bin aber auch geübt.
Der Zuschnitt - was alles schiefgehen könnte und dann doch nicht gegangen ist
In meinem Fall habe ich Glück. IKEAs Ditte und der gewebte Wollstoff haben eine Webart, die es mir erlaubt hat, die einzelnen Schnittmusterteile nahtlos auf den Stoff zu legen, diese festzustecken und auszuschneiden - und das kreuz und quer. So habe ich dann tatsächlich nur 6 Meter Ditte verbraucht und 2,50 Meter Wollstoff. Für den Zuschnitt habe ich übrigens 2 Stunden gebraucht, aber ich gebe zu, dass ich schon ein bisschen Übung habe - weil ich das Zuschneiden echt hasse und mich immer beeile, damit es schnell vorbei ist.
Achtet beim Zuschnitt bitte auf folgende Dinge:
Verwendet spitze Nähnadeln, wenn Ihr das Schnittmuster auf dem Stoff feststeckt. Stumpfe Spitzen können übel Fäden ziehen.
Achtet auf das Webmuster des Stoffs und dass sie in den verschiedenen Teilen, die Ihr ausschneidet, nicht gegeneinander laufen, sondern parallel. Sieht sonst zusammengestückelt und doof aus.
Achtet darauf, dass Stoffe oftmals eine rechte und eine linke Seite haben, die unterschiedlich aussehen können. Also lieber zweimal überlegen, bevor ihr schneidet.
Nahtzugabe beachten!!!
Hier mal ein 'Gruppenbild' der Zuschnitteile:
1 - Zuschnitte des Rocks und des Unterrocks. Der Verschluss des Rocks wird danach entschieden, wieviel Geld am ende noch übrig bleibt.
2 - Zuschnitteile der Bluse. Oben rechts der Vorder- und Rückenteil, noch im Stoffbruch liegend. Daneben das improvisierte Bindeband, das ich aus der Webkante des Bomull geschnittten habe - Platzhalter für ein hübscheres Band, das ich noch machen möchte. Schräg darunter dann der Ärmelteil, noch in der langen Version. Gekürzt wird später, wenn ich sehe, wie die Bluse sitzt.
3 - Reststück 60x70 für die Schürze. Darauf zwei Stoffstreifen 140x10 cm, aus denen die Bindebänder werden.
4 - Zuschnitteile für Mieder und Miederfutter. Sie liegen hier auf dem Bild noch aufeinander, so, wie ich sie gesteckt habe.
5 - Zuschnittteile der Weiberspecks. Besteht aus zwei Stücken und zwei Stoffstreifen der Ausmaße 70x5 cm.
Was hier noch fehlt, sind die Haube und die möglichen Taschen für die Schürze. Aber da noch etwas Stoff übrig ist (nochmal ein Stück 60x70 und einige kleinere Reste), kümmere ich mich später darum. Ebenso wie um den Einsatz für das Mieder.
Es darf genäht werden:
Es ist also Zeit, sich an die Nähmaschine zu setzen. Hier mal die Ausstattung, die ich dafür benötige:
Das sind Haken, ein paar Knöpfe, hübsche Borte, ein Nadelpilz, gutes Garn, ein Maßband, ein Nahttrenner, einen Stift zum Anzeichnen und eine Haushaltsschere.
Los geht es also mit dem Rock. Ich liege zwei Rockteile aufeinander, stecke sie ab und nähe dann darüber. Am Anfang wie am Ende nähe ich jeweils, die Rücklauftaste der Nähmaschine nutzend, ein, zwei Male hin und her, um zu verhindern, dass die Naht aufgeht, wenn Ihr am Ende die Fäden abschneidet. Achtet darauf, dass Ihr langsam über die Nadeln näht, sonst fliegen sie Euch um die Ohren.
An dieser Stelle noch einmal ein Hinweis, den Maria mir netterweise gegeben hat: bitte bügelt den Stoff auf jeden Fall, bevor Ihr ihn vernäht. Und umrandet die einzelnen Stücke mit einem Zickzackstich, bevor Ihr sie mit einem Geradstich zusammennäht. Dann werden die Nähte nicht so wulstig, weil man sie auseinanderbügeln kann, bevor man weiternäht.
So, um zum Rock zurückzukommen: näht alle 4 Teile aneinander, bis Ihr ein großes, flaches Stück mit 3 Nähten habt. Der linke und rechte Rand, der obere und der untere Bund sind noch nicht vernäht.
Dann macht Ihr Euch daran, die Ränder zweimal nach innen ('innen' heißt in Nähkreisen linke Stoffseite) einzufalten und noch einmal parallel zum Rand abzunähen. Das nennt man Säumen und sieht dann so aus:
Säumt also die beiden Seiten und auch den oberen und unteren Saum. Das ist echte Fleißarbeit und manchmal nicht einfach, wenn man an die Stellen kommt, an denen zwei Rockteile zusammenstoßen - da ist dann nämlich auf einmal so eine doofe Ecke drin. (Diese Ecken kann man übrigens mit der Schere vorher ein wenig abrunden und dann geht es direkt einfacher.)
Tja, mein Plan war jetzt eigentlich, den Rock zu falten (also die 'Außenseite', die rechte Stoffseite aufeinander geklappt, die 'linke Seite' nach außen) und den Rock mit einer Naht zu schließen. Oben, also da, wo der Rock später auf dem Steiß gesessen hätte, hätte ich 20 cm offen gelassen, um dann Haken und Öse je rechts und links am Rock anzunähen und diesen so zu schließen.
Tja, aber irgendwie habe ich mich beim Schnittmuster vermessen und der Rock ist unglaublich zu weit:
Also habe ich aus der Not eine Tugend gemacht und beschlossen, das gute Stück eben anders zu verschließen. Groß daran rumschnippeln wollte ich nicht, weil mir das Volumen des Rockteils wirklich gut gefiel. Die Lösung war, dass ich die Teile übereinander geschoben habe. Den Rock auf Taillenweite schließt zunächst einmal ein Haken:
Anpassen, mit einem abwaschbaren Stift oder Schneiderkreide anzeichnen, dann per Hand schön fest nähen. Und dann den überstehenden 'Lappen' hochklappen und die Positionen für Knopf und Knopfloch anzeichnen:
Knopfloch??? Au wei, klingt schwierig. Ist auch leider nicht allzu einfach. Die meisten Nähmaschinen haben einen automatischen Knopflochstich (in 1 bis x Schritten) . Also Gebrauchsanleitung hervorkramen und kurz einlesen. Dann ein wenig auf den kleineren Stoffresten vom Nähen üben. Und dann los! Wenn Ihr per Hand und ohne Maschine näht, hier ist der Links zum Knopflochstich: http://natronundsoda.net/klamotten/other/knopflochstich.gif
So. Rock ist geschlossen. Alle Ränder sind gesäumt (oder verstürzt, wie man auch sagt). Und ich habe noch genug Borte hier gefunden, die ich einfach noch unten dran genäht habe. Voilá - der Unterrock ist fertig.
Natürlich gibt es noch diverse andere Arten, Röcke zu verschließen. Schnürungen. Riegel. (Verdeckte) Reißverschlüsse. Aber ich habe mich für diese entschieden.
Kommen wir also zum nächsten Teil, nämlich der Bluse. Dafür nähe ich das Vorder- und Rückenteil an den Seiten zusammen - wohlgemerkt nur an den Seiten, die Rundungen bitte offen lassen. Ebenso, wie ich die Ärmelteile an den Seiten zusammennähe und auch dort die Rundungen unberührt lasse. Ich hoffe man kann das auf dem folgenden Bild erkennen - nur nähen, wo ich die rote Linie eingezeichnet habe!
Und jetzt kommt der pure Horror - Ärmel einsetzen! Das zu erklären ist wirklich nicht so einfach. Es gilt hier die Regel - Naht auf Naht, rechte Seite auf rechte Seite. Mal ein Bild dazu, mehr Text dann darunter:
Der Blusenkörper ist noch auf links, ergo sind die Nähe außen. Den Ärmel müßt Ihr allerdings so umstülpen, dass er auf rechts liegt, ergo die Nähe innen sind.. Und dann schiebt Ihr den Ärmel so in das Oberteil hinein, dass die Aussparungen aufeinander liegen. Ihr seht hier oben die Seitennaht des Oberteils (roter Pfeil) und die Seitennaht des Ärmelteils (grüner Pfeil), die aufeinander liegen. Das Ganze dann zusammenstecken und abnähen. So weit, so (un)klar?
Wenn die Ärmel drin sind - ich prophezeie Euch einige Versuche! -, dann müßte das Ganze so aussehen:
Riesenausschnitt, oder? Das ist die Grundvoraussetzung für den Carmen-Ausschnitt, der später einfach hübsch aussieht. Aber wie bekommen wir den Riesenausschnitt ein wenig kleiner? In dem wir einen Tunnelzug nähen. Dafür drehen wir das gute Stück wieder auf links und setzen uns wieder an die Nähmaschine.
Wie beim Säumen wird hier der Stoff zweimal nach innen umgeklappt, um einen kleinen Tunnel aus Stoff zu erzeugen, durch den wir später ein Band fädeln können. Ich habe Euch mal eine rote Linie eingezeichnet. Bis dahin würde ich den Stoff beim ersten Mal einklappen, damit im späteren Tunnel nicht allzuviel Stoff steht, der das Durchfädeln schwierig machen könnte. Nähen würde ich dann auf der Linie, wo im Bild die Nadel steckt.
Näht einmal um den großen Ausschnitt herum, lasst aber vorne eine Strecke von ca. 2 cm nicht genäht. Dort könnt Ihr dann später ein beliebiges Band einfädeln. Es gibt schicke Einfädelnadeln, mit denen man das machen kann, aber eine große Sicherheitsnadel sollte es auch tun:
Fädelt das Band hindurch, verknotete es, wenn Ihr durch seid und mit einigem Ziehen könnt Ihr den Schulterausschnitt zusammenziehen und kräuseln. Dann das Band noch ausrichten, in die richtige Länge kürzen und dann verknoten. Nach innen hängen lassen. Dann wäre das auch fertig.
Jetzt noch die Ärmel kürzen, wenn man das möchte (ich habe mich doch entschieden, das nicht zu machen, weil sie so schön weit geworden sind) und die Ärmel säumen. Und den unteren Saum auch nicht vergessen. Dann ist auch die Bluse fertig.
Und es geht Schlag auf Schlag weiter, da wir schon bei der Unterwäsche sind: wir machen den Weiberspeck. Dafür nähen wir die beiden Schnittmusterteile ab und lassen die Ecken offen, so dass wir später durch diese den Weiberspeck stopfen können. Nach den Nähen wird der Weiberspeck auf Rechts gestülpt und dann ausgestopft, bis er schön prall ist. Ich denke man kann hier ganz schön sehen, was ich meine:
So, und nun kommen wir endlich zu den schon oft erwähnten Bindebändern. Nehmt einen Stoffstreifen, faltet die Seiten gleichmäßg zur Mitte, faltet das Ganze noch einmal zur Mitte und näht es dann ab. Fertig! Einfach, oder? Hier folgt nochmal ein Bild:
So, und nun machen wir aus den vorgeschnittenen Stoffstreifen noch die Bindebänder für den Weiberspeck und schieben diese in die offenen Enden der Weiberspecks ein. Da ein paar Male drübernähen, bis es fest sitzt und dann wäre auch der Weiberspeck fertig.
Und so sieht als das Ergebnis eines Arbeitssonntags aus. Ja, es ist knitterig. Und ja, das Licht ist auch nicht so toll. Aber ich bin echt zufrieden. An dieser Stelle ein dickes DANKESCHÖN an meinen Mann, der die Bilder des heutigen Tages gemacht hat.
Der Rock:
Ich habe ihn, da ich ja beim Unterrock schon gemerkt habe, dass das Schnittmuster viel zu weit war, ein wenig zurechtgestutzt und am Ende mit einem Riegel verschlossen. Ansonsten ist die Herstellungsart die gleiche wie beim Unterrock. Ich habe ihn so gekürzt, dass ein wenig von dem gerüschten Unterrock zu sehen ist - Hobbiterotik pur
Die Haube:
Ich habe mir die Schnittmuster, die ich mir ganz am Anfang ausgesucht habe, noch einmal angesehen und festgestellt, dass sie mir nicht verspielt genug sind. Ergo habe ich mir überlegt, ob ich nicht sowas wie eine Nachthaube mache.
Ergo habe ich dann einfach improvisiert, noch 2 Meter Borte ausgegraben und dann losgelegt. Aus dem Stoffrest 60x70 cm, den ich noch hatte, habe ich einen Kreis mit Radius 30 cm ausgeschnitten.
Das Ganze dann mal fix mit der Borte gesäumt:
Und dann angefangen, in ca. 10 cm vom Außenrand mit Sticktwist (das ist sechsfädiges Stichgarn) einen einfachen Vorstich gemacht. Und zwar so, dass die beiden Fadenenden am Ende innen sind. An diesen Fadenenden habe ich dann so weit gezogen, bis die Haube sich auf Kopfumfang zusammengezogen hat.
Dann das Häubchen schön arrangieren und schon ist sie fertig. Hier ist sie auf meinem Probekopf, zusammen mit einer Perücke aus meiner umfangreichen Perückensammlung (weil ich so wenig Haare habe, dass ich eine ordentliche Hobbitdauerwelle einfach nicht hinbekäme). Sie ist zugegebenermaßen ziemlich groß, ich denke ein Radius von 25 cm für die Grundform würde auch ausreichen. Aber vielleicht kann ich ja noch einen Fleischwurstring drunter verstecken.
Die Schürze:
Die Schürze war recht einfach herzustellen. Ich habe ein Reststück 60 x 70 cm komplett gesäumt, ebenso wie zwei quadratische Reststücke, die später die Taschen werden sollten. Dann habe ich mich an das Bindeband gemacht - und mal eine andere Technik zur Herstellung von Bändern verwendet. Die schon vorgeschnittenen Stücken 70x10 cm habe ich zusammengenäht, um sie zu verlängern, dann habe ich sie abgenäht. Wie, erklärt das folgende Bild:
Einmal das kurze Ende abnähen, dann am langen Rand entlang, insgesamt die fast 140 cm entlang (siehe Bleistiftlinien). Das andere Ende unbedingt offenlassen, denn noch ist die hässliche Naht außen und die will man ja nicht sehen. Ergo darf nun gestülpt werden. Das ist eine ganz schöne Geduldsarbeit, dann im Endeffekt muss das gesamte Band einmal komplett durch diese kleine Öffnung gestülpt werden.
Wenn das Band fertig und die Nerven wieder beruhigt sind, sollte man alles sauber zusammenstecken (eventuell auch nochmal bügeln) und dann zusammennähen. Fertig ist die Schürze.
Das Mieder:
Das ist nun der Teil, der mir beim Nähen einige Nerven kosten wird, denn ganz einfach ist es nicht, Mieder und Futter passgleich herzustellen und zusammenzufügen.
Näht zunächst das Mieder zusammen und probiert es an bzw. zieht es auf die Puppe.
Achtet darauf, dass das Stück gut sitzt und dass auch am Rücken die Teile zusammenpassen. Da ich mich ein bisschen vermessen habe (ja, ich gebe es zu!), klafft das Mieder hinten ein Stück auf, aber das finde ich gar nicht schlimm, weil ja jede Lücke ein Blick auf die Untergewandung ist - Hobbiterotik und so.
Tja, und dann kann man in Ruhe am Stück abmessen, wie breit und lang dann der Einsatz aus dem kontrastfarbigen Stoff werden soll. Der wird dann mit Nahtzugabe ausgeschnitten und eingenäht. Maße merken für das Futter!
Dann geht es mit dem Futter weiter. Es wird zusammengenäht und hier habe ich noch einen Nähtip für Euch, was das Nähen von Rundungen angeht. Wenn Ihr damit Probleme habt, z. B. eine Rundung auf eine gerade Kante zu nähen, dann schneidet diese ein wenig in Dreiecksform ein. Nur ein wenig und bis da, wo später die Naht sitzen wird. So könnt Ihr den runden Stoff besser zusammenschieben und leichter darübernähen. Ihr seht dieses Dreieck im unteren Bild auf meinem rechten Mittelfinger.
Nun, wenn das Futter fertig ist, näht Ihr auch dort ein Einsatzstück ein, das aus dem Reststoff des Futterstoffs geschnitten ist. Damit sind die beiden Teile baugleich und können zusammengesteckt werden. Dabei werden das Mieder und das Futter links auf links aufeinander gelegt und die beiden Stoffe nach innen eingestülpt, um die Kanten verschwinden zu lassen.
Beim Zusammenstecken müßt Ihr darauf achten, dass das Futter ein klein wenig vom Rand zurücksteht, damit man es am Ende nicht herausblitzen sieht.
Dann näht das Ganze ab und achtet immer darauf, dass ihr auch die eingeschlagenen Stoffränder sauber mit vernäht. Am Ende sieht das Ganze dann so aus:
Dann geht es auch schon an das Verschließen des Mieders im Rücken. Ich habe mich entschlossen, das mit Nestellöchern zu machen. Also erstmal anzeichnen, wo die Schnürung hinkommt.
Und dann geht es an die Löcher. Und die sich eigentlich recht einfach zu machen. Den Knopflochstich hatte ich oben ja schon erklärt, aber hier ist noch einmal eine formidable Anleitung: http://blog.mittelalter-manufaktur.de/?p=971
Stecht zunächst mit einer Ahle oder einem Stift ein Loch in den Stoff, aber achtet darauf, dass so wenig Fasern wie möglich dabei reißen.
Dann nehmt Nadel und Faden zur Hand (ich habe einige Fäden Sticktwist verwendet) und fangt an, das Loch zu umnähen.
Und wenn Ihr einmal rum seid, dann sieht das dann so aus. Macht die anderen Nestellöcher fertig, das kann, Achtung Vorwarnung, schon 2 Fernsehabende verschlingen. Aus meinem Fundus habe ich dann Satinband hervorgekramt und aus 2 Metern davon die Schnürung gemacht.
Tja, und nach sehr viel mühseliger Arbeit sieht das dann so aus:
Das wäre es also erstmal von mir zum Thema 'Hobbit'. Ein Photoshooting mit der Gewandung folgt, wenn mein Mann und ich mal wieder einen freien Nachmittag haben, dann könnt Ihr die Sachen komplett, aus allen Blickwinkeln und an mir begutachten.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und meinen vielen Tipgebern und stehe für Fragen - wie man so schön sagt - gerne zur Verfügung!
Ende gut - Essen gut
Und hier noch die Bilder vom heutigen Photoshooting, das das Projekt beendet. Für dieses Shooting wurden keine unschuldigen Lebensmittel verschwendet - es wird und wurde natürlich alles gegessen.
Autoren: -- 178.114.174.199 2012-02-09 17:22:51