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Meinung/Sozialverhalten/GuteAlteZeit

Die gute alte Zeit

oder: Früher war alles besser

Mein erstes Con war zwar erst im Jahr 1995, und ich habe seitdem auch nur stolze 13 Contage absolviert, ich will hier aber trotzdem mal den alten Sack 'raushängen lassen, da ich von diesem Hobby zum ersten mal hörte, als ein junger, aufstrebender Unternehmer namens Marcus Hailer auf einem DoRo (Dortmunder P&P-Spielertreffen) mit einem brillianten Vortrag für ein recht neuartiges Hobby warb. Ich weiß es nicht mehr genau, aber es wird irgendwann 90/91 gewesen sein.

Ich selber bin damals nicht mitgefahren, aber ein (damals) sehr guter Freund stieg voll auf den Zug auf, machte einige Cons mit, schleppte Unmengen neuer Freunde an, war AFAIK Mitbegründer eines bekannteren Ritterordens, zog nach Creglingen um in der DS mitzuarbeiten, heiratete eine Larperin und kam zurück, blieb aber in der Branche und bewirkte in letzter Konsequenz, daß ich jetzt mit einer Larperin zusammen bin und in letzter Zeit mit viel Spaß diesem Hobby fröne (10 der 13 Contage lagen in den letzten 11 Monaten).

Was ich mit dieser kurzen Geschichte meines Lebens sagen wollte, ist daß ich, auch wenn ich sebst noch nicht lange spiele, seit längerer Zeit einen ganz guten Einblick in dieses Hobby habe. Das mag zwar weitenteils die "Outsider's View" sein, aber Live-Rollenspieler reden ja bekanntlich über nicht viel anderes ;-) , so daß auch ein Außenseiter im Laufe der Jahre einiges mitbekommt. Um endlich zum Punkt zu kommen, glaube ich, daß zahlreiche Rückblicke auf die gute alte Zeit etwas schönfärberisch sind.

Es ist in jeder Subkultur zu beobachten, daß "alte Hasen" den Eindruck haben, daß früher alles besser war und daß mit der aufkommenden Popularisierung alles vor die Hunde geht. Gleiches gilt zum Beispiel für das Internet. Vielleicht sind einzelne Kritikpunkte sogar berechtigt. Das heißt aber in aller Regel nicht, daß früher alles besser war. Pappnasen gab es, wenn ich mich an die Erzählungen meiner Freunde erinnere, immer schon. Und ich glaube nicht, daß deren Anteil unter den Neuen signifikant höher ist. Bestenfalls lassen sich alte Gepflogenheiten einer wachsenden Masse von Leuten nicht mehr so effektiv vermitteln. Ob das immer wirklich ein Nachteil ist, sei dahingestellt. Aber der gesunde Menschenverstand hat zu keiner Zeit die Welt in Ordnung gehalten ;-)

Um es mit den Worten Erich Wiesners zu sagen: "Die gute alte Zeit ist nichts weiter als eine rückwärts datierte Utopie."

-- RalfHüls, 24.08.1999

Früher war sogar die Zukunft besser.

-- TilmannHaak, 29.8.2003

Bezeichnend, wenn auch vielleicht nicht überraschend, ist übrigens die Tatsache, daß man mittlerweile in den LarpForen gelegentlich liest, wie sehr die Szene doch in den letzten vier, fünf Jahren verkommen sei... (vgl. dazu das Originaldatum meines Artikels ;-)

-- RalfHüls, 08.11.2003

Wahrscheinlich geht nicht die Szene vor die Hunde, sondern die eigene Begeisterungsfähigkeit. Es ist halt alles nicht mehr so neu und wunderbar, wie auf den eigenen ersten paar Cons. Die eigene Erwartungshaltung steigt immer weiter, während die Realität halt so bleibt wie sie immer ist und gewesen ist. Und die Schere klafft dann irgendwann im Kopf massiv auseinander.

Es ändert sich auch die Einstellung zu den eigenen Grenzen. Je länger man extreme Spielkonzepte spielt, desto leichter findet man die Imponderabilien und Unmöglichkeiten an denen die Realität durchschimmert. Und das tut sie bald immer deutlicher. Damit verliert sich der Zauber den die ersten Cons ausgeübt haben und es kehrt "Normalität" ein. Wenn jetzt das angetroffene Spielkonzept sehr weit von dieser "Normalität entfernt ist, reagiert der eigene Pappnasensensor empfindlicher, weil das extreme Konzept leichter stört. Vielleicht liegt darin auch der Grund, daß nicht wenige langjährige Spieler zum Low-Level-Spiel neigen.

-- FredSchwohl und RalfHüls, 10.11.2003


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