LarpMeinung: Mögliche Probleme mit Gesang
Musik, Gesang und Barden sind meist eine große Bereicherung für ein Liverollenspiel. Sie können Stimmung erzeugen, das Ambiente einer Veranstaltung unterstützen und schlicht und einfach unterhalten.
Doch wo Licht ist, ist auch Schatten und nicht immer ist der Einfluss von Gesang auf das Spiel ausschließlich positiv: Da gibt es auch
Barden, die versuchen, als Reinkarnation von Walther von der Vogelweide oder Oswald von Wolkenstein auf Erden zu wandeln, in diesem Anspruch aber kläglich scheitern,
Sänger, die eigene Lieder vortragen, deren Sprache, Duktus und Anpassung an eine Melodie echt gewöhnungsbedürftig ist,
Spielleute, die sich "große" Vorbilder wählen und versäumen darüber nachzudenken, dass ein Stück für fünf Mann mit Bombarde, Trumscheit, Dulcimer, Horn und großem Sack wohl etwas transkribiert werden muss, bevor man es zur Gitarre und mit dünner Stimme alleine vorträgt,
- Sänger, die Greensleeves mit neuem Text versehen, über Country Roads nach Killbannoch reisen und dann mit Reinhard Mey über den Wolken die grenzenlose Freiheit suchen, während einsame Drummer ihre Afrobeats gen Himmel dräuen lassen.
Auch, wenn im Folgenden oft "Barden" gesagt wird, geht die Kritik nicht unbedingt an Spieler von Bardencharakteren, sondern auch und gerade an Gelegenheitssänger.
Stimmung
Sehr wichtig, um als Sänger oder gar Bardencharakter nicht anzuecken, ist das Gefühl für die rechte Stimmung und den rechten Augenblick. "Barden", die in unpassenden Situationen singen oder das falsche Lied für den Anlass wählen, machen sich nicht gerade beliebt.
Offensichtlich störend sind Gesänge, die auch nicht im Entferntesten mit LARP zu tun haben, also zum Beispiel moderne Lieder. Diese sollte man sich für die Zeit nach dem offiziellen Spielende aufsparen. Aber auch ein eigentlich LARP-tauglicher Gesang kann zu einer subtilen Form von OT-Blase werden, wenn in Situationen, in denen Nicht-Sänger "OutTime" wären, der Sänger stattdessen singt, ohne dass es zur IT-Situation passt. Oder, um es einfacher zu sagen: Leute, die singen, ohne sich um das Spielgeschehen zu scheren, sind versteckte OT-Blasen. Das Problem ist daran, dass man im OT befindliche Nicht-Sänger bitten kann, woanders zu labern, während die "Sänger" aus ihrer Sicht "InTime" und damit oft der Kritik nicht zugänglich sind.
An Orten oder in Situationen, in denen man auch im wirklichen Leben Ruhe erwarten würde, sollte man sich auch im Spiel entsprechend verhalten. Gerade wenn die "Bibliothek" eigentlich nur ein Herbergszimmer wie jedes andere ist, hilft es nicht gerade dabei, die gewünschte Stimmung zu erzeugen, wenn dort munter musiziert wird. Und wenn in solchen Situationen eine InTime-Kritik fällt, sollte sie auch beherzigt werden.
Auf Schlachtencons mögen Soldatenlieder passen, aber bei heiterer Stimmungsmusik sieht das schon ganz anders aus. Zumal, wenn's nicht am Abend vor der Schlacht ist (wo man sich nochmal Mut ansingt), sondern während die Drow vor der Tür stehen und in der Taverne schon Schwerstverletzte liegen.
Leider haben vereinzelte "Barden", die nicht das nötige Fingerspitzengefühl haben, solche Situationen zu erkennen, dann auch noch den Anspruch, sie seien automatisch und in jeder Situation reine Ambienteverströmer. Wer sich dann (IT) aufregt, bekommt das "Caela sanguine nigra" um die Ohren gehauen.
Zur Ehrenrettung der Barden sei aber auch gesagt, dass von Fällen berichtet wird, in denen widerwillige Barden von anderen genötigt wurden, zu unpassenden Gelegenheiten zu spielen.
Ein Barde sollte also vor dem Auftritt herausfinden, ob dieser in die Situation passt und mehrheitlich gewünscht ist.
Wein, Weib und Gesang ...
Volltrunkene Barden sind nicht immer ein schönes Ereignis. Wer Barde ist, verpflichtet sich auch einem ungeschriebenen Gesetz der Musiker: Wer spielt, trinkt soviel, dass er den Text noch sauber rüberbringen und immer noch die Melodie singen kann. Wenn jemand nur noch lallend auf seine Klampfe eindrischt, hat er genug.
Lautstärke
Oft gilt: lieber LAUT als schön
Na ja. Stimmt nicht ganz. Aber lieber laut und mittelmäßig als toll und nicht hörbar. Manche Barden und Sänger haben leider kein Stimmvolumen oder sind zu schüchtern, laut loszuschmettern. Wenn die eigene Stimme nicht mal dann drei Sitze weit trägt, wenn alle im Saal still sind, sollte man sich überlegen, zunächst mal in kleiner Runde zu üben, bis Stimme und Selbstbewusstsein für das Plenum reichen.
Feedback, InTime oder OutTime?
Für Barden ist Feedback wichtig, um besser zu werden. Viele gute Barden haben dafür lange und ausdauernd arbeiten müssen.
Gespielten Barden ein Feedback zu geben, ist aber problematisch. Einerseits, weil es immer schwierig ist, Qualitätsurteile über künstlerische und musikalische Darbietungen zu fällen und diese dem Urheber mitzuteilen, zum anderen aber auch, weil die Trennung zwischen Spielebene und Wirklichkeit an verschiedenen Stellen stört.
So gibt es zum Beispiel auch "Fun-Charaktere", die à la Troubardix absichtlich schlecht singen. Der Zuhörer weiß nun nicht, ob der jeweilige Spieler einen schlechten Barden spielt, oder halt wirklich keine einzige Note hält, ob es sich um einen begnadeten Stümper oder einen uninspirierten Möchtegernstar handelt.
Stört es überhaupt, dass ein Vorträger schlecht ist, oder sollte man den Vortrag OutTime ertragen, weil es ja ins Szenario passt, dass es schlechte Künstler gibt? Darf man InTime lästern, weil der eigene Charakter es schlecht findet, oder verprellt man dann doch den Spieler, statt nur den Charakter? Oder weiß der Spieler gar nicht, dass er schlecht ist, denkt, er spielt einen guten Vorträger und wäre für einen Hinweis sogar dankbar? Die Möglichkeit, dass er gar nicht schlecht ist, sondern man selber nur nichts von der Sache versteht, zieht ohnehin niemand in Betracht.
Wenn man den grenzenlosen Mut bewundert, mit dem sich jemand vor Publikum stellt und etwas vorträgt, kann man schwer über seinen Schatten hinaustreten und schlechte Bardenspieler als solche bezeichnen, weil man denen nicht auf die Füße treten will, Man kann auch nicht den zum 25. Mal das selbe Lied singenden Sänger InTime in seine Schranken weisen, weil man ja dann intolerant ist und den Spieler verärgert.
Dabei will man vielleicht nur dem Charakter klarmachen, dass man als Spieler seinen Vortrag zwar nett findet (oder zumindestens mutig), man als Chrakter allerdings keine Lieder hören möchte, weil gerade der eigene Bruder ermordet in seiner Kammer liegt. Der Konflikt ist vorprogrammiert und fast nicht lösbar, da er viel zu viele und zu lange OutTime Erklärungen nötig machen würde.
Auf der anderen Seite gibt es Spieler, die wirklich gut singen können und an deren Mund man gebannt hängt. Aber was macht man, wenn die Spielsituation es erfordert, dass die Gruppe, die den Sängern zuhört, etwas anderes macht? Soll man sich als Spielverderber betätigen und den guten Vortrag unterbrechen? Hat jede Aktion, die für einen selbst wichtig genug ist, um in einer Taverne das Singen zu unterbrechen, für alle die gleiche Wertigkeit? Und ist man berechtigt, als Spieler in die doch sehr persönliche "ich habe Spaß"-Ablaufebene einzugreifen?
Natürlich ist es unproduktiv und unhöflich, den Sänger direkt abzukanzeln. Aber Feedback braucht er! Also was tun? Die wohl sinnvollste Methode ist es, den Betreffenden beiseite zu nehmen und ihm Tipps zu geben und dabei zu versuchen, möglichst nicht oberlehrerhaft rüberzukommen. Wenn man das nicht in der Situation tun kann oder will, sollte man das spätestens nach dem Time Out tun. Denn nur, wer seine Fehler erkennt, kann an sich arbeiten und diese abstellen.
Insofern sollte der Dialog mit dem Künstler versucht werden. Eine Verbesserung der Lage ist sonst für beide Seiten nicht zu erreichen.
Üben
Man kann sich übrigens nur verbessern, wenn man übt. Und im stillen Kämmerlein ist das aus den verschiedensten Gründen oftmals nicht möglich. Ein ungeübter Sänger trifft, auch wenn er Talent mitbringt, oftmals nicht jeden Ton und auch das nötige Feingefühl will gelernt sein.
Der ein oder andere könnte sicher einen recht guten Barden abgeben, wenn er ein wenig Erfahrung sammeln dürfte. Aber wie soll man besser werden, wenn man nicht üben kann? Und es gibt durchaus Barden, die alles InTime lernen, sprich im OutTime nichts machen, aus den verschiedensten Gründen.
Andererseits gibt es ja durchaus Mittelwege zwischen dem stillen Kämmerlein und der Hauptbühne eines GrossCons. Man kann zunächst einmal im Kreise der eigenen Freunde im Nebenzimmer sein Sangestalent erproben, bevor man sich in die Taverne wagt. Und man muss ja auch nicht sofort einen Barden spielen. Nicht jeder, der auf einem Con singt, spielt ein gewerbliches Spielleut. Man kann mit einem beliebigen Charakter, der nebenbei Amateursänger ist, ein wenig Erfahrung sammeln, bevor man einen Bardencharakter anfängt.
Kehrseite
Umgekehrt ist natürlich auch die Kritik an Barden zuweilen undifferenziert und unfair. Wenn dann der Barde mit dem Zauber "Schweigen", diversen Flüchen, Versteinerungen oder einfach dem fliegenden Messer ruhiggestellt werden soll, ist das sicherlich auch nicht sinnvoll. Vor allem, wenn zu merken ist, dass der "Barde" nur gerade recht kam, um nur dadurch für ein wenig Kurzweil zu sorgen, dass man ihn ärgern kann.
Barden bemängeln zu Recht, dass manch einer sich hinter ihrem Rücken auskotzt, wie schlecht ihre Vorstellung/Stimme/Liedauswahl/etc. war oder wie arrogant/eingebildet/sonstiges sie ihm vorkommen, aber nicht genügend Traute hat, ihnen das zu sagen. Denn als Alleinunterhalter ist es schwierig, es allen recht zu machen und noch schwieriger, sich selbst in Frage zu stellen, weil es essentiell ist, selbstsicher aufzutreten. Da geht einem schon mal die Objektivität im Hinblick auf das eigene Auftreten verloren. Konstruktive Kritik ist da absolut notwendig. Findet die Kritik jedoch im Verborgenen statt oder ist sie destruktiv, passiert es leicht, dass sich eine "Jetzt erst recht"-Mentalität breitmacht, von der man nur sehr schwer wieder wegkommt.
Fazit
Geschmäcker sind verschieden. Wenn also viele in der Taverne den Barden hören wollen, dann lasst ihn singen. Wenn natürlich gerade die ganze Taverne sich die Ohren zuhält, sollte sich der Barde nicht wundern, wenn er wie Troubardix geknebelt wird.
Sinn und Zweck dieser Seite ist es nicht, Leute zu verschrecken, sondern sie dazu zu bringen, es sich mindestens zweimal zu überlegen, einen Barden als Charakter zu wählen.
Wer nämlich einen Barden spielen will, der sollte sich über die genannten Problematiken im Klaren sein und eine Vorstellung davon haben, wie er sie meistern kann.
Gedrons Rat an Nachwuchs-Barden:
Finde Deinen eigenen Stil
- Wenn Du ihn gefunden hast, pflege ihn
- Hol Dir Rat, wenn Du welchen kriegen kannst
- Glaub nicht alles, was man Dir erzählt
- Höre aber trotzdem auf Leute, die das, was Du tun willst, schon länger tun als Du
- Bleibe flexibel und verbessere Dich ständig
Niemand hat je behauptet, es wäre einfach, einen Barden zu spielen.
Und auch niemand hat behauptet, es sei einfach, ein Barde zu sein. Barde sein ist eine Lebenseinstellung.
Moderne Musik im LARP
Die Tatsache, dass jederlei Musik gekonnt und mit Ausdruck zu vollführen sei, ist unbestritten. Doch die Forderung von so manchen, sich dabei an historischer Musik orientieren zu müssen, ist nur in einem ganz bestimmten Rahmen, des Reenactment-orientierten LARPs gültig. Beispielsweise Aventurien (DSA) bietet für die Verwendung von moderner Musik schöne Vorlagen, so gibt es dort nicht nur sehr IT-taugliche Übersetzungen von bekannten Liedern, wie "Whiskey in the jar" oder "Scarborough fair", sondern es existiert unter den Zwergen auch die sogenannte Fels und Erz Musik, die den betörenden Klang des Pickels auf dem Gestein nachahmen soll. Somit steht der Verwendung moderner Musik im Grunde nichts im Wege, insbesondere, wenn es sich um Lieder dieser Gattung handelt, die von dem entsprechenden Charakter selber geschrieben wurden. Das einzig echte Problem stellen hier wohl die Texte dar, und der Punkt, dass manche Spieler es nicht schaffen, IT zu bleiben, wenn sie Lieder hören, die ihnen aus Funk und Fernsehen bekannt sind. Aber das ist nicht die Schuld des Bardenspielers.
FredSchwohl, JanHeiden, SebastianIckler, AlexanderSpecht, StephanSauermann, RalfHüls (ed.), DanielRösler
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