Gedächtnisschwund als Charakterhintergrund
Ein beliebter Topos bei der Charaktererschaffung, vor allem bei LARP-Anfängern, ist der Charakter, der zu Beginn seiner Charakterlaufbahn mit Gedächtnisschwund aufgefunden wird und seine gesamte Vorgeschichte vergessen hat.
Welcher Spielansatz ergibt sich für andere Spieler?
Gedächtnisschwund? Who cares? Mache dich darauf gefaßt, daß es den meisten anderen Charakteren herzlich egal ist, ob sich dein Charakter an seine Vergangenheit erinnert. Welcher Spielansatz soll für andere daraus entstehen? Bestenfalls werden sie deine Lage zur Kenntnis nehmen und mitleidig die Schultern zucken. Die wenigsten werden versuchen, deine Amnesie zu therapieren. Und falls es doch einer tut, ist es womöglich ein Zauberer, der deinen Hintergrund mit einem kurzen Ritual zerbläst, weil er deine Erinnerung magisch rekonstruiert.
Welcher Spielansatz ergibt sich für dich selbst?
Wenn du nur die Geschichte mit dem Gedächtnisschwund selbst vorbereitest, hat dein Charakter keine Möglichkeit, irgendetwas herauszubekommen. Kein anderer Charakter und keine Spielleitung hat irgendwelchen Infos über die "wahre Geschichte", die sie deinem Charakter geben könnten. Daß eine Spielleitung dir einen Hintergrund entwickelt, den du dann erforschen kannst, ist eher unwahrscheinlich. Du wirst also (falls du das vorhast) immer vergeblich nach deiner Vergangenheit forschen.
Ein verlorenes-Gedächtnis-Hintergrund ohne die tatsächliche Charaktergeschichte im Hinterkopf nimmt dir nicht nur viele Möglichkeiten zum Spiel (von was erzählst du abends am Lagerfeuer?), sondern macht es dir auch schwer, deinem Charakter eine Persönlichkeit und "Charakter" zu geben - denn er ist ja gerade das Produkt seiner Erziehung, Lebensumstände und prägender Ereignisse.
Oder aber du schreibst die "wahre Geschichte" selbst, händigst sie den Spielleitungen aus und bittest sie, dir Hinweise darauf in ihre Spiele einzuflechten. Es zwar nicht ganz unwahrscheinlich, daß du Spielleitungen findest, die dir da entgegen kommen, aber das hieße, daß du einer Krimigeschichte nachrecherchierst, die du selber geschrieben hast.
Beides (sowohl das "immer vergebens" als auch das Erforschen der selbst erfundenen Geheimnisse) dürfte aber in der Praxis recht unbefriedigend sein.
Um das zu vermeiden könnte man sich auch stattdessen einen guten Freund schnappen, der in dieser Hinsicht begabt ist und ihn die Geschichte schreiben lassen. Das ganze dann fix aufs Papier gebracht und versiegelt, und dann könnte man entweder im passenden Moment eine der versiegelten Rollen öffnen, z.B. Nach der oben genannten magischen Heilung. Stattdessen könnte man natürlich auch jeder dritten Person der man begegnet eine Rolle in die Hand drücken, die Person nach einiger Zeit wieder suchen, und erfahren wer man wirklich ist.
Als irrelevantes Detail im Hintergrund, von dem du gar keinen Spielansatz für dich und andere erwartest, ist der Gedächtnisschwund natürlich... OK.
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