Edit: Seit einiger Zeit sehe ich diese Dinge völlig anders und habe diese unter Realistischer Ritter zusammengefasst. Folgend der (für den Autoren längst obsolete) Ursprungsartikel von 2011, der mehr als Archivalie für Larpmeinungen hier exemplarisch stehen bleiben kann, denn "der denkende Mensch ändert seine Meinung" (Friedrich Nietzsche), Gregor H. - 20.12.2017
Meinung: Adel verpflichtet
Ja, wozu verpflichtet Adel eigentlich?
Immer wieder kommen Klagen, dass Adelsspieler ihre Charaktere schlecht ausspielen, indem sie entweder als Ritter Machviellärm von Saufmichtot oder überzogen arrogant und barockartig auftreten.
Was gehört also dazu, einen Adligen so darzustellen, dass man oben Genanntes vermeidet und möglichst an ein mittelalterliches Adelsbild heranreicht?
Zum einen ist gute Darstellung in Form von Ausrüstung unerlässlich. Mehr dazu unter Charaktertipps/Ritter.
Desweiteren ist viel Einarbeitung in die Rolle wichtig. Klar kann man den Assi-Ritter aus Hinterarschingen spielen, aber da ist's wie mit allen Rollen im LARP - es lebt vom Klischee. Und das Klischee des Adligen ist nunmal das des strahlenden Ritters bzw. der edlen Dame.
Im Folgenden halte ich mich nur an Ritter, da man viel höhere Adlige im LARP selten zu Gesicht bekommt und der Ritter im Heerlager doch der häufigste Typus ist.
Und gerade wenn man "von Geburt" adlig war, war es im Hoch-und Spätmittelalter gang und gäbe, ritterlich erzogen zu werden. Das war einfach Usus. Und zu dieser Erziehung gehörte schlicht und ergreifend das Einbläuen der Tugenden. Sowohl niederer als auch Hochadel waren dem Ritterstand gleichermaßen verpflichtet.
Ich persönlich halte mich an einige Grundsätze, aus den allgemein bekannten RitterlicheTugenden zusammengeklaubt, die man im LARP-Alltag wirklich einsetzen muss (bei den anderen Tugenden kommen entsprechende Situation im Spiel nur äußerst selten bis gar nicht vor):
Das mag alles arg ehrenkodiziert klingen und sicherlich kann man auch "per Geburt" adelig sein und sich dann als schnöseliger, stinkreicher Grafensohn um Rittertugenden nicht scheren. Niemand kann vorschreiben, dass ein Ritter immer klischeehaft "ritterlich" sein muss. Natürlich kann man einen Ritter mit verrohten Sitten spielen, aber davon gibt es auf dem üblichen LARP recht viele und genau damit läuft man Gefahr, sich obiger Kritik auszusetzen.
Dieser Artikel richtet sich also nicht an Spieler, die das Klischee des unritterlichen Adligen erfüllen wollen.
Den Hohen und den Frohen Mut leben:
- nett und freundlich zu jedermann sein, auf keinen Fall herablassend oder arrogant!
Milde und Reichtum (in Verbindung mit Obigem):
- Bettlern Almosen geben (lassen)
- Spielleute u.ä. entlohnen (das macht sonst kaum einer)
- nervige Charaktere nicht umknüppeln, sondern lieber eine kleine Münze in die Hand drücken lassen, damit sie verschwinden
Demut und Treue:
- dem Herrn, dem man sich verpflichtet hat, treu dienen und gehorchen
- Demut vor dem Gott seiner Religion
- Demut vor Geistlichen
Höfisches Benehmen:
- wohlerzogen auftreten,
- sich um gelangweilte Damen kümmern und ihnen Kurzweil verschaffen, ggf. durch Geld (wieder Reichtum)
- mit anderen Adligen spielen (Boccia, Kubb, Bredspiel etc.)
- manierlich Essen (besser mit mittelalterlichem Vorbild beschäftigen, denn das war etwas ... gröber ... als heutzutage)
- Gesandte nie warten lassen, falls doch, diese bewirten lassen
Adlige, die zu Besuch kommen, immer zuvorkommend behandeln, zur Not den Stuhl anbieten, auf dem man gerade sitzt (natürlich nicht wenn der Ritter den Herzog besucht - dann lässt man einen Stuhl bringen )
- feindliche Ritter, die gefangen wurden, gegen einen Schwur frei mit Schwert im Lager herumlaufen lassen, als Gast behandeln und/oder gegen ein symbolisches Pfand und den Schwur, bis zur Zahlung des vereinbarten Lösegeldes die Waffen nicht zu erheben, frei lassen - sich als Gefangener daran zu halten ist wiederum ehrenhaft!
- feindliche Gesandte immer zuvorkommend behandeln und Sorge tragen, dass diesen nichts passiert, auch unter "Ehre" einzugliedern
Tapferkeit und Dienstbereitschaft:
- Bedrängte mit Zunge und Schwert schützen, auch wenn es das eigene Leben kosten kann
- im Kampf tapfer seinen Mannen voranschreiten
- keine Angst zeigen (was im LARP ja nie jemandem schwer fällt)
- immer und überall bereit sein, seine Ehre und die seines Herrn und seiner Dame notfalls mit dem Schwert zu verteidigen
Sonstige, schwer einzuordnende Verhaltensweisen:
- Ruhm und Ehre suchen: D.h. nicht Kämpfe vermeiden, sondern gerade im Gegenteil: Kämpfe und Wettstreite suchen!
- immer erstreben der beste Ritter zu sein, d.h. die ruhmvollsten Taten verbringen zu wollen, auch wenn diese dann grandios in die Hose gehen
Beispiele:
- alleine in den Gegner stürmen, um diesen zu verwirren, auch wenn man danach gefangen wird
- andere Ritter herausfordern (zu Zweikämpfen; zu Wettstreiten im Bogenschießen, Schach/Backgammon spielen, Minnesang, Jagen etc.) auch wenn man weiß, das man hoffnungslos unterlegen ist.
Wichtig: Es zählt nur der Wille zur Tat, nicht der Erfolg! Gerade bei solchen Aktionen ist aus historischer Ansicht interessant, dass eben jene Ritter, die zwar total versagten, aber das bei einer möglichst ruhmreichen Tat, den meisten Ruhm ernteten, beispielsweise Johann der Blinde. Der ritt in die Schlacht, obwohl er blind und alt war und fiel natürlich. Nach der Schlacht soll der englische König (sein Gegner!) an die Leiche getreten sein mit den Worten "Hier liegt die Blüte der Ritterschaft, aber er stirbt nicht". Danach machte er sein Zimir und seinen Wahlspruch "Ich dien" zu seinem.
Ehre:
Die Verbindung aus allem oben genannten. Wie man sieht, sind alle Tugenden miteinander verwoben:
- Freigiebig und freundlich zu jedermann
- Minnedienst verrichten
- Stärke und Geschick im Kampf beweisen
- den Kampf nicht fürchten, sondern im Gegenteil, diesen als die höchste Form der Ehrmanifestation ansehen
- keine Listen und Finten verwenden, ob im Kampf oder in zivil (also Fehde erklären statt Meuchler losschicken)
- die eigenen Männer davon abhalten, feindliche Ritter anzugreifen, stattdessen diese herausfordern
- höfisch sein und dem "Gemeinen Volk" auch als Beispiel voran gehen
Was man nicht tun sollte:
- Streitigkeiten mit anderen Adeligen durch ein Gericht klären lassen, stattdessen einen Zweikampf anstreben, wenn der Streit nicht geklärt werden kann. Dieser kann jedoch auch durch z.B. ein Schachspiel bestritten werden!
- Bürgerliche mit "Ihr" anreden, ein "Du" reicht.
Mit diesen Tipps dürfte der allgemeine LARP-Alltag eines Adelsspielers abgedeckt sein.
Vorlagen:
Ivanhohe der Schwarze Ritter (1952) Wunderbarer Film, der für den Larpalltag allemal als perfekte Vorlage dient.
--GregorH., RalfHüls (ed.)
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