Ist das Bild der LARP-Szene in der Öffentlichkeit teilweise selbstverschuldet?
Ein Dauerbrennerthema in der Szene ist das Bild des Hobbies in der Öffentlichkeit. Ich persönlich bin ja der Meinung, daß die tatsächliche Berichterstattung wesentlich wohlwollender ist, als viele LARPer immer noch glauben, aber gelegentlich sorgt immer mal wieder ein Fernsehbeitrag oder ein Zeitungsartikel für Aufruhr. Unlängst wurde in einem kleineren Forum ein Artikel aus einer Provinzzeitung wiedergegeben und diskutiert, der den Forumsteilnehmern sauer aufgestoßen war.
Der Artikel über einen bevorstehenden Oster-Con war - sofern er korrekt wiedergegeben wurde - sicherlich kein Pulitzerkandidat, war mäßig geschrieben und enthielt einige sachliche Fehler, beschrieb aber meiner Meinung nach einigermaßen treffend, worum es beim LARP geht: "Es handelt sich um ein Hobby junger Menschen, in dem ein Charakter nach Regeln zum Thema »mittelalterliche Fantasy« von dem Spieler selbst erschaffen wird, um mit eben diesem Charakter ein ebenfalls mittelalterliches Fantasy-Szenario zu bespielen." Wahrung von Jugendschutz, Sicherheitsregeln und Distanzierung von Okkultismus werden erwähnt.
Was aber für Krawall unter den LARPern sorgte, ist die Tatsache, daß der Autor des Artikels die Frage stellt, ob es angemessen sei, daß die betreffende Veranstaltung am höchsten christlichen Feiertag auf dem Gelände eines christlichen Trägers stattfindet. Er hat offenbar ein wenig recherchiert und zitiert einige Passagen aus dem Regelwerk, in dem die Meuchelregel bildhaft erklärt wird, Außerdem hat er im Forum der Orga eine Reihe zotiger und makabrer Scherze gefunden.
Die im Artikel beschriebenen Sachverhalte erscheinen mir völlig plausibel. Der zitierte Regeltext entspricht dem, was man so kennt und auch ich habe nach einem kurzen Blick in das betreffende Veranstalterforum durchaus diverse Beiträge gefunden, die den Zitaten in dem Artikel entsprachen. Sowohl die Darstellung von Gewalt im Spiel als auch makabre Scherze im Forum müssen aber konservativeren Leuten zwangsläufig geschmacklos und abseitig erscheinen. Und auch wenn nun gerade die betreffende Orga eigentlich keine Splatter- oder Dark-Fantasy-Elemente benutzt, gibt es diese Spielinhalte und vielen LARPern sind sie wichtig und dann dem Autor vorzuwerfen, er stelle etwas falsch dar, ist meiner Meinung nach etwas unfair. Ich erkenne das Fantasy-LARP in dem Artikel durchaus wieder und frage mich seit langem, warum es nicht regelmäßiger Krach mit Locations konfessioneller Träger gibt.
Hier zeigt sich mal wieder, daß manche LARPer einfach kein Gespür für die eigene Wirkung in der Öffentlichkeit haben. Man kann nicht einerseits den eigenen Nonkonformismus zelebrieren und sich andererseits über Ablehnung durch den Mainstream wundern. Und daß ein Locationbesitzer oder sonstige "interessierte" Parteien auch mal die öffentlichen Veranstalterforen ansehen, darf auch nicht überraschen.
Wer Spiele mit Horror- oder Dark-Fantasy-Stilelementen auf einer Location eines konfessionellen Trägers veranstalten will, muß sich nicht wundern, wenn er auch an entsprechenden Maßstäben gemessen wird und sollte Zugeständnisse machen und sehr feinfühlige Informationspolitik betreiben.
Man sollte sich auch mal fragen, ob man da, wo man glaubt unter sich zu sein, in Wirklichkeit aber völlig in der Internet-Öffentlichkeit steht, platte Scherze oder In-Character-Postings über das Jungfrauen-Opfern schreiben sollte. Daß das Jungfrauenopfer eine Spielhandlung ist, mag der Journalist sich noch denken, aber ob er es nicht doch für eine gewaltverherrlichende Spielhandlung hält, hängt vermutlich stark vom Stil des Postings ab. Und wenn ich mich da an Debatten im Forum einiger Großcons der letzten Jahre erinnere, in denen die Hoffnung auf exzessiven Absinthausschank und lose Schankmaiden in der Taverne und das Interesse an gespielten "Bordellen" diskutiert wurden, natürlich in Rolle gepostet und ohne irgendwie kenntlich zu machen, daß selbstverständlich Sexualität und Prostitution nur symbolisch angedeutet werden und die "Dirnen" mit den "Freiern" auf den Zimmern dann nur Karten spielen, dann muß man sich nicht wundern. Wie wirkt wohl ein Forumsthread mit dem Betreff "Wie wär's mit einem Bordell auf dem <Veranstaltung>?" auf den Gemeinderat des nächsten Ortes, der sich im Veranstalterforum mal darüber informieren will, was auf dem Pfadfinderplatz so los ist und der keinerlei Ahnung hat, was wir unter "Rollenspiel" verstehen.
Es sollte sich einfach jeder Einzelne, der in einem Forum, einem Blog oder auf seiner Homepage über LARP schreibt, mal klar machen, daß er im Zweifel eben nicht nur für Eingeweihte und Kenner schreibt. Anfänger, besorgte Eltern, Locationbetreiber und eben die Presse werden sich auch erstmal über das Netz informieren.
Bei der Medienkritik nach dem Artikel sah es wenig besser aus. Da wurde der ungeliebte Autor von manchen mit übelster Polemik beschimpft und die gesamte Presse mit dem gleichen Mangel an Differenzierung verurteilt, den man gleichzeitig ihrer Berichterstattung vorwirft. Ein Teilnehmer ging soweit, das betreffende Priovinzblatt mit dem "Völkischen Beobachter" zu vergleichen. Wenn dann demnächst ein Mensch, der keinen besonderen Grund hat, dem Hobby wohlgesonnen zu sein, versucht, sich in jenem Forum zu informieren, was denn nun LARP sei, dann kann man sich ausmalen, wie eine solche Medienkritik sich auswirkt, ganz ohne auf die hergebrachten Klischeeverrisse zurückzugreifen: "Und wer dann wagt, die blutrünstigen Motive und gewaltverherrlichenden Themen dieser sogenannten Jugendkultur kritisch zu hinterfragen, riskiert, von deren Protagonisten behende als Nationalsozialist und Volksverhetzer verunglimpft zu werden."
Interessant ist auch, daß - offenbar nach einem Treffen der Orga mit dem Journalisten - ein weiterer Artikel publiziert wurde, der sachlich und stilistisch eigentlich nicht besser war, als der zuerst bemängelte, was nun aber aufgrund der fehlenden "negativen Vorurteile" nicht weiter zu stören schien.
Mit einem Quentchen Selbstreflektion müßte man erkennen, das es so etwas wie die Sichtweisen anderer Menschen gibt, die themenfremd sind, und die deshalb leider nur von dem ausgehen können, was sie sehen. Und wenn das, was man von sich zeigt, für eine Öffentlichkeitsarbeit derart ungeeignet ist, dann kriegt man im Endeffekt das, was man verdient. Und das war in diesem Fall ein Artikel, der den Betreffenden gottseidank nicht wirklich übel gesonnen war, denn der hätte bei den entsprechenden konservativen Kreisen durchaus verbrannte Erde hinterlassen können.
Kurz gesagt: LARPer werden selten vorverurteilt. Sie erwarten aber als Mitglieder einer Subkultur ein gerüttelt Maß positiver Vorurteile (ja! Die gibt es!), die ihnen nur leider nicht jeder entgegenbringen kann.
Und wenn man nicht bereit ist, darauf Rücksicht zu nehmen, dann sollte man sich, wie gesagt, wenigstens nicht nachher wundern, daß man so wahrgenommen wird, wie man sich darstellt.
--RalfHüls, 2007-02-07, mit Textpassagen von HeinzKreienbaum