Larpmeinung: Gegenargumente zur OpferRegel
So ich fange mal an. Um hier nicht Andere zu zitieren, die nicht meine Meinung haben und falschen Kram wiederkäuen, ein paar Überlegungen von mir:
Die Opferregel ist doof, weil sie nicht deterministisch ist.
Eine unserer Grunderfahrungen ist, dass eine bestimmte Ursache eine bestimmte Wirkung hat. Gleiches glauben wir auch im Larp haben zu können. wichtig ist in diesem zusammenhang das bestimmt. Eine Ursache hat nicht irgend eine Wirkung sondern eine Bestimmte Wirkung. Die OpferRegel steht diesem Ansatz aber entgegen. Bei der Opferregel ist jede beliebige (eventuell auch nur jede logische) Reaktion denkbar. Zwar bedeutet dieses keinen zwangslaeufigen bruch der IT Logik allerdings wird die Möglichkeit des Spielers den SIS (shared imagenary space, vereinfacht gesagt die Spielwelt) zu beeinflussen maßiev beeintrechtigt. Allerdings ist die Beeinflussung des SIS ja gerade das was Rollenspiel ausmacht. (Wer anderer Meinung ist sollte Theater spielen oder Reenactment machen). Somit entsteht durch die Opferregel ein weiteres "Impossible thing before brackfest", das durch entsprechende Spielkonventionen gelöst werden muss.
--ChristianK
Schon allein das Wort "Opferregel" ist in doppelter Hinsicht irreführend. Interessanterweise liegen darin auch die stärksten Argumente gegen die Opferregel.
"Opfer": Ein Opfer ist jemand, dem ein Unrecht zugefügt wird. Man kann Opfer einer Straftat werden. Im Krieg gibt es Opfer. LARP jedoch ist ein Spiel. Hier gibt es keine Opfer. LARP ist sogar ein ganz besonderes Spiel, nämlich eines, in dem es weder Verlierer noch Gewinner gibt. Schließlich jagt man nicht irgendwelchen Siegespunkten nach, die am Ende des Cons gezählt werden und darauf basierend ein Gewinner gekürt wird.
Aber wie bei jedem Spiel gibt es Spieler, die Glück haben und solche, die Pech haben. Jemand der viel Pech hat, der kann seinen Charakter verlieren, da dieser stirbt. Das macht ihn zum Pechvogel, aber nicht zum Opfer. Ein Opfer, so heißt es eingangs, ist jemand, dem ein Unrecht zugefügt wird. Unrecht ist ein Verstoß gegen Gesetze. Im LARP sind dies die Spielregeln. Wenn ein Spieler Pech hat, dieses Pech sich aber in einer regelkonformen Art äußert, dann ist dies kein Unrecht und der Spieler kein Opfer.
Es liegt in der Natur des Menschen sich selbst als Opfer zu begreifen. Dabei vergessen viele, dass sie keine Opfer sind, sondern bewußt ein Risiko eingegangen sind und dann schlicht Pech gehabt haben. Dieses Risiko kann schon in der Anmeldung zu einem Con mit Kampfanteil liegen. Oder darin, dass man das Falsche gesagt hat. Oder das man einfach Pech hat und der böse Schwarzmagier gerade jetzt einen Elfen/Zwerg/Sonstwas für sein Opferritual braucht.
"Regel": Für mich ist es unfassbar mit welcher Dreistigkeit sich manche Menschen auf die ["OpferREGEL"] berufen. Jeder Con hat ein Regelwerk. Dies sind die alleinig geltenden Regeln dieses Cons. Ich kenne kein Regelwerk, in dem eine Opferregel steht. Ganz im Gegenteil, alle Regelwerke die ich kenne regeln den Tod von Charakteren sehr eindeutig. Das heißt nichts anderes, als das Personen, die sich auf die Opferregel beziehen, schlicht und ergreifend das geltende Regelwerk eines Cons bewußt brechen, und zwar in einem ganz enorm wichtigen Punkt. Wer sich auf die Opferregel bezieht, ohne das diese "Regel" tatsächlich im Regelwerk steht, betrügt. Das ist vielen überhaupt nicht klar. Die Opferregel ist keine Regel! Sie ist eine Meinung. Als solche ist sie zu respektieren. Sie stellt aber kein Recht dar, auf das man sich berufen kann.
Es gibt für den Begriff Pappnase viele Definitionen. Eine garantiert zutreffende Definition ist aber: Eine Pappnase ist jemand, der sich bewußt, selbstständig und ohne Absprache mit der SL über wichtige Aspekte des Regelwerkes eines Cons hinwegsetzt.
Ich weiß, dass es viele LARPer gibt, die mit ihrem Charakter so verbunden sind, dass sie sich nicht von ihm trennen wollen. Diese Menschen haben in meinen Augen ein psychisches Problem. Sie sollten kein LARP machen. Andere sagen, dass sie es sich nicht leisten können, einen neuen Charakter auszurüsten, sollte der alte sterben. Auch das ist kein gültiges Argument. Es mag viele schockieren, aber niemand hat ein Recht darauf einen Charakter spielen zu können, der Ausrüstung im Wert von 500 € oder mehr hat.
Ich möchte klarstellen, dass ich niemanden dafür angreifen möchte, dass er der Opferregel positiv gegenüber steht. Die Opferregel, trotz ihres trügerischen Namens, ist eine Meinung und als solche zu respektieren. Wer einen Con veranstaltet, in dessen Regelwerk tatsächlich eine Opferregel definiert ist, kann diese Regel gerne anwenden. Dagegen ist überhaupt nichts zu sagen. Vielleicht würde ich selbst sogar auf so einen Con kommen nur um zu sehen wie es läuft. Um ehrlich zu sein denke ich, dass es wie jeder andere Con auch ablaufen würde. Ich bin aber ein Gegner der Vorgehensweise, dass man auf einen Con geht und dort eigenmächtig gegen das Regelwerk verstößt.
Häufig wird ein spezielles Argument genannt, dass dafür wirbt die Anwendung der Opferregel zu tolerieren, auch wenn diese eigentlich nicht im Regelwerk vorgsehen ist. Dieses Argument lautet: Die Opferregel ist eine rein defensive Angelegenheit. Es tue niemanden weh, wenn ein Charakter weitergespielt wird, obwohl dieser eigentlich tot ist.
Das ist ein Irrglaube.
Die Opferregel gibt ein Gefühl der Sicherheit. Spieler führen Handlungen aus, die sie sonst nicht ausführen würden, wenn sie wüssten, dass ihr Charakter im Falle des Todes garantiert tot bleiben würde. Anders ausgedrückt: Wenn ich weiß, dass ich nichts verlieren kann, dann kacke ich der Drowpriesterin auf den Altar.
Das ist natürlich völlig überzogen ausgedrückt. Aber man kann den schädigenden Aspekt der Opferregel auch anders erläutern, in Form eines Schemas, das sich schon oft zugetragen hat: Charakter A tötet Charakter B. Daraufhin tötet Charakter C Charakter A.
Was ist nun mit Charakter B, wenn sich Charakter A auf die Opferregel beruft? Hätte Charakter A Charakter B getötet bzw. wäre überhaupt einen Konflikt mit ihm eingegangen, wenn es die Opferregel nicht gäbe?
Mit der Opferregel im Hinterkopf machen Spieler Sachen, die sie sonst nicht machen würden. Und diese Sachen haben erstaunlich oft mit hohem Risiko und Kämpfen zu tun.
--MiroGoepel, BitteNichtStören
Leider verliert man solchen Regel-Details leicht aus den Augen, daß Menschen aus Spaß spielen. Dafür ist eine große Anzahl von Spielern bereit, viel Zeit, Geld, Fantasie und Hirnschmalz zu investieren. Daß diese Spieler dies tun, wird im Allgemeinen als positiv angesehen, da dadurch erst ein entsprechendes Amiente im Spiel zustandekommt, der den Spaß aller anderen Spieler steigert.
Menschen, die sich lange mit etwas beschäftigen, ärgern sich natürlich, wenn ihr Zeitaufwand sinnlos war. Das ist normal und hat (meiner Meinung nach) nichts mit psychischen Problemen zu tun. Ich habe jetzt häufig gelesen, daß ein Charakter-Tod häufig als persönliche Niederlage empfunden werde. Solche Gefühle habe ich auch beim Mensch-Ärgere-Dich-Spiel .... weshalb ich das Spiel nicht spiele.
Wollen wir, daß all die Spieler, die ihre Zeit in das Spiel und ihren Charkter investieren, aufhören zu spielen oder nur noch "Wegwerf"-Charaktere spielen? Im Pen&Paper lautet die erste Regel "Der Meister hat immer Recht" ... und die erste Empfehlung an den Meister lautet: "Der Meister sollte alle Regeln so auslegen oder abändern, wie es für einen maximalen Spielspaß angemessen ist." Da die SL beim LARP nicht immer überall sein kann und die Spieler auch so schon für die SL Entscheidungen übernehmen (z.B. welcher Treffer wie genau ausgespielt wird), sehe ich keinen Grund, warum den Spielern durch eine (inoffizielle) Opfer-Regel nicht ein Freiraum zugestanden werden sollte, um den Spielspaß für alle zu erhöhen.
Eine passenderer Name für diese Regel wäre vielleicht noch zu finden, aber alles was mir einfällt ist: Spieler-Richtlinie, Richtlinie zur Auspielung von Nahtod-Erfahrungen oder ähnliches .... also nicht exakt genug oder viel zu lang.
Ich möchte noch ein Wort zum "Gefühl der Sicherheit" durch die "Opfer-Regel" loswerden: Mein Vorredner kritisierte, "dass es viele LARPer gibt, die mit ihrem Charakter so verbunden sind, dass sie sich nicht von ihm trennen wollen." Wenn LARPer jedoch nicht so dächten, hätte niemand jemals Angst um seinen CHAR, denn es ist ja schnell ein neuer ausgewürfelt. Der Spieler ist eh immer sicher und braucht sich daher nicht zu fürchten. Ganz davon abgesehen sind die Spieler-Charaktere HELDEN. (.... und Helden sind allesamt durchgeknallt und gehen viel zu hohe Risiken ein Im Gegensatz zu unzähligen NSCs werden Helden vom Schicksal geliebt und haben ihr Schicksal auf der irdischen Welt zu erfüllen, weshalb sich immer wieder der ein oder andere Gott findet, der ihnen hilft (und sei es, daß der Gott das Herz im richtigen Moment etwas zur Seite schiebt
--SF
Eine mE wichtige Feststellung ist, dass die Zeit, die man in einen Charakter investiert hat, nicht sinnlos war, wenn dieser stirbt. So ist nunmal der Lauf der Dinge, der Tod gehört dazu. Und solange man den Charakter gespielt hat, hatte man doch Spaß daran. Darin liegt der Wert des Spiels. Nicht (nur) darin, älter, stärker und mächtiger zu werden.
--Flix
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