Über das 2. Manifest und den gerechten Krieg
"2. Scheide das Gute wohl vom Bösen, auf daß Du sicher wandelst auf dem Pfade der Tugend!"
so mahnt uns der Prophet. Wie aber erkennen wir, was gut sei und was böse? Gibt es einen zuverlässigen Maßstab, der die Güte unserer Taten misst? Wie erkennen wir, ob ein Mensch gut oder böse tut?
Mancher mißt die Taten an ihren Früchten. Eine gute Tat trägt gute Frucht, eine böse Tat trägt schlechte Frucht. Trauben wachsen nicht an Dornensträuchern und Disteln tragen keine Feigen. An den Früchten der Taten lese man das Herz und die Aufrichtigkeit der Menschen.
Andere messen die Taten an den Absichten der Menschen. Was in guter Absicht getan ist, sei gut und was in der Absicht zu schaden getan ist, sei böse.
Das, was tugendhaft ist, kann zur Unzeit am falschen Ort auch Frevel werden. Ebenso kann die Aneignung fremden Gutes, Fehde und Totschlag unter sehr speziellen Umständen auch Tugend sein. Taten, die auf den ersten Blick böse genannt werden, aber von Erwägungen angetrieben werden, die im Einklang mit dem Willen des Eynen, den Worten der Propheten, dem Leben selbst und dem, was das Leben erhält, zeitigen Ergebnisse, die gut sind.
Niemand darf jemals die Berechtigung eines Krieges bezweifeln, der im Namen des Eynen befohlen wird, denn selbst das, was aus menschlicher Gier entsteht, kann weder den unkorrumpierbaren Eynen noch seinen Heiligen etwas anhaben. Der Eyne befielt Krieg, um den Stolz der fehlgeleiteten Ismiten auszutreiben, zu zerschmettern und zu unterwerfen. Krieg zu erdulden ist eine Probe für die Geduld der Gläubigen, um sie zu erniedrigen und seine väterlichen Zurechtweisungen anzunehmen. Denn niemand besitzt Macht über andere, wenn er sie nicht vom Eynen erhalten hat. Alle Gewalt wird nur auf des Eynen Befehl oder mit seiner Erlaubnis ausgeübt. Und so kann ein Mann gerecht für die Ordnung kämpfen, wenn er gegen einen ungläubigen Herrscher zieht. Selbst wenn das Geben eines Befehls den Herrscher schuldig machen sollte, ist der Soldat, der ihm gehorcht, unschuldig. Wieviel unschuldiger muss da ein Mann sein, der einen Krieg führt, der vom Eynen befohlen wurde, der ja niemals etwas Falsches befehlen kann, wie jeder weiß, der ihm dient?
Und so ist auch die Verteidigung gegen die Feinde des Eynen gerechtfertigt, und verlaufe sie auch ebenso grausam, wie ein aus selbstsüchtigen Gründen geführter Krieg. Immerhin stehen die Rechtschaffenen gegen die diener des Bösen, teils als Befehlende, teils als Gehorchende zusammen; diese Ordnung auch militärisch zu verteidigen ist notwendig. Kriege sind gerecht, die Verbrechen rächen oder Häretiker wie die Ismiten in ihre Schranken zu weisen und von ihrem frevelhaften Tun abbringen.
Und frevelhaft ist der Ismit. Sein ganzes Gemeinwesen gründet auf der Unterwerfung fremder Völker. Wo der rechtschaffene Cerid dem vierten Manifeste folgend den Ungläubigen mit dem Wort den rechten Weg weist, kann der Ismit dies nur mit dem Schwerte. Und sie achten nicht das Manifest, das uns vor den Kräften warnt, die dem Menschen vor der Zeit durch den Versucher Bozephalus gegeben wurden und wollen nicht ablassen von Hexerei und Zauberwerk.
Wir müssen gewappnet sein, gegen diesen Feind und seine Methoden studieren. Doch tun wir dies widerwillig und mit größter Behutsamkeit unter der Aufsicht und mit dem Dispens der heiligen Ceridischen Kirche. Wenn das nötige Werk getan und Grovisstein befreit ist, werden wir heimkehren und die verbotene Kunst nicht weiter leichtfertig üben, wie der Ismit es tut. Und so werden wir an der Seelenwaage dereinst an unseren Absichten gemessen werden und es wird heißen, wir haben das Böse vom Guten geschieden, wie der Eyne es uns durch Hilarius geheißen hat.
Denn er weilet unter uns! Zu allen Zeiten.
Pater Rafael Weydehardt, Orden des Hl. Raimundus, am 19. des sechsten Monats im Jahre 120 nach Hilarii Erleuchtung, im Heerlager des Herren von Ahlfeld am Raimundisfels im Kantenland.
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