LarpMeinung: Ist Rollenspiel wichtiger als Ausstattung?
Siehe auch Meinung/Spielphilosophie/SpielOderAusstattung.
Da ist die unterstellte Unvereinbarkeit von Rollenspiel und Gewandung zufriedenstellend aufgelöst, schon kommt der Einwand des Skeptikers. Aaaber ...! ruft er laut und schlägt eine dialektische Volte, die die treffenden Argumente zu umgehen scheint. Er lädt den Begriff des "Rollenspiels" mit anderer Bedeutung auf und legt die Betonung auf "Spiel". Er meint damit die aktionsreiche Beteiligung am Plot, gekennzeichnet durch das Lösen schöner Rätsel, das Überwinden von Gegnern und die Suche sagenhaften Artefakten. Dagegen hätten ausgeprägte Charakterdarsteller vor allem im Sinn, die perfekte Illusion einer anderen Welt zu schaffen und würden im Wesentlichen als belebtes Kostüm herumsitzen.
Alles in allem kann man als Spieler nach dieser Argumentation entweder dem Plot nachspüren oder sich Gedanken um die Charakterdarstellung machen. Der Skeptiker verlangt hintergründig anzuerkennen, dass Plotjagd und Charakterdarstellung miteinander unvereinbar sind. An dieser Stelle haben wir uns auch schon ein gutes Stück vom ursprünglichen Artikel entfernt. Was ein Zeichen sein könnte, dass die Kritik des Skeptikers an dieser Stelle womöglich gar nicht angebracht ist.
Trotzdem stelle ich mich ganz dumm und dem Skeptiker viele Fragen. Was hält denjenigen, der Wert auf eine gute Darstellung seiner Rolle legt, davon ab, auch dem Plot eines Cons nachzuspüren? Kann man wirklich entweder NUR aktiv am Spiel teilnehmen? Oder NUR seine Rolle ansprechend darstellen? Macht es mich automatisch zum aktiveren Spieler, wenn nach dem Con kein Mensch weiß, wen ich eigentlich dargestellt habe? Bringe ich Passivität in die Plotjagd, wenn man schon bei meinem ersten Auftreten bemerkt, dass ich offenbar ein raubeiniger Söldner/ vergeistigter Magier sein muss? Wird der Kampf weniger spannend, wenn ich mich in maßgefertigter Rüstung mit in die Schlachtreihe stelle? Und ist das fantastische Erlebnis auch für den anspruchslosesten Spieler nicht um so größer, je fantastischer auch der Eindruck ist, den seine Mitstreiter auf ihn machen?
Am Ende läuft es doch auf folgendes hinaus: Als Spieler entscheide ich selbst, wie intensiv ich mich auf die Spielangebote auf einem Con einlasse. Dies ist unabhängig davon, wie wichtig mir die Darstellung meiner Rolle ist. Ich entscheide darüber hinaus auch selbst, wie viel Mühe ich auf die Darstellung (Rollenspiel, Gewandung) meiner Rolle verwenden will. Dies ist unabhängig davon, wie sehr ich Kämpfe oder die Jagd nach dem Plot liebe.
Womit dem Skeptiker der Weg auf der dialektischen Volte abgeschnitten wäre. Achso: Auch der Geldfaktor ist unabhängig von meinen Bemühungen um die bessere Darstellung. Und ob ich mich historisch orientiert ausstatte oder nicht ebenfalls.
DutchVanLeuwen, 14.12.2007
- und bevor jetzt wieder einer "dann mach' doch Reenactment" brüllt: das darf gerne auch ein Film- oder Fantasymuseum sein.
Weitere Meinungen:
PatrickC: Auf unserer letzten Con wurde unsere Orga gelobt, dass man anhand der Bekleidung von den NSC sehr leicht sehen konnte, welcher Charakter aus dem Inland, welcher aus dem Ausland war. Das machte nicht nur das Ambiente stimmiger, sondern erleichterte den Spieler auch ihr Spiel. Sie wussten, was gerade geschieht, ohne dauernd OT zu fragen "Wie sieht der Kerl IT eigentlich aus?". Gute Gewandung macht also den Mitspielern das Spielen einfacher. Sicher gibt es einige Leute, die sagen dann, es täte dem Rollenspiel keinen Schaden, wenn man sich vorstellen müsse, dass andere ganz nobel gekleidet sind, schließlich ist das ja auch Fantasyrollenspiel und das hat was mit Phantasie zu tun. Dennoch ist es mir lieber, wenn ich weiß: Ich sehe auch IT das vor mir, was ich OT vor mir sehe. Dann muss ich nämlich niemanden durch doofe OT Fragen nerven ("Ist der schlecht gewandete Spieler dort vorne ein Ritter, oder warum benimmt er sich so komisch?").
LadyGodiva: Der Unterschied ist der: Wenn ich den Charakter alleine spiele, weiß ich genau darüber Bescheid, hier kann ein Mehlsack zur Krönungsrobe werden. Da im LARP aber nun mal mehrere Leute zusammen spielen (wär ja sonst fad) zählt es nicht, was ICH weiß, sondern was die anderen in kürzestmöglicher Zeit über mich herausfinden; manchmal vielleicht sogar rein visuell, ohne mein schauspielerisches Zutun. Ergo muß ich dem Auge eine Möglichkeit geben zu unterscheiden: Ist mein Gegenüber ein Adeliger oder ein Herumtreiber (um jetzt mal die Extreme zu bemühen)? Zusammen mit der Schauspielerei wird es dann auch möglich, Facetten erkennen zu lassen: Ist es ein Adeliger oder ein Bauer, der sich als Adeliger verkleidet hat? Ist es ein dahergelaufener Strolch oder ein Adeliger, der sich incognito unters Volk gemischt hat? Wenn ich in jeder Rolle die gleichen Sachen trage und mich nur aufs Spiel verlasse, ist das ebenso spielerschwerend wie wenn ich nur einen stummen Kleiderständer spiele!
FlorianSchätz: Ein schlechter Spieler in toller Klamotte kann immer noch als Kulisse dienen, wie eine schöne Umgebung. Ist das nicht was? Ich denke, es gibt für beides "Minimalwerte", die erfüllt sein sollten, darüber hinaus ist alles akzeptabel. In Straßenkleidung haben selbst perfekte Schauspieler imho nichts auf einem LARP zu suchen und auch der perfekt Museums-reife Klamottenträger sollte zumindest minimal Rollenspiel betreiben. Das heißt also, dass Spiel und Ausstattung das jeweilige andere nur bis zu einem gewissen Grad kompensieren können.
DanielJ: Unsere Sehkraft ist von all unseren Sinnen derjenige, dem wir die meisten Informationen über unsere Umwelt verdanken. Deshalb ist es nur naheliegend, dass man einen Mitspieler erst einmal dementsprechend nach seinem Äußeren beurteilt. Darüberhinaus ist das "Sehen" ja eine ganz eklatante Qualität des Liverollenspiels; Man muss eben nicht jede Situation oder Lokation erdenken, sondern kann sich ganz auf das "Erfahren" konzentrieren. So entsteht beim Liverollenspiel ein intensiveres Rollenspielerlebnis, als es bei Tischrollenspielen der Fall ist. Auch das persönliche Rollenspiel kann durch die eigene Gewandung profitieren. Mir fällt es z.B. leichter, eine Rolle gut zu spielen, wenn ich die entsprechende Gewandung trage - das passende Spiel kommt dann ganz von selbst.
BloodyJack: Ich würde hier gerne nochmal folgendes anmerken: Alle bisherigen Ausführungen gehen davon aus, dass der optische Eindruck stimmt. Dem kann ich prinzipiell zustimmen. Aber trotzdem befürworte ich eher diejenigen, die sich mit wenig Geld die Mühe machen, trotzdem einen passablen Eindruck zu machen und auch durch gutes Rollenspiel zu glänzen als denjenigen, der sich für teuer Geld die beste Klamotte kauft, weils "historischer" aussieht und dafür soviel Rollenspiel betreibt wie ne Metwurst. Es zählt eben, wieviel Gedanken sich der jenige zu seiner Rolle gemacht hat.
Einhard Selbst das LARP lebt von Phantasie und da es keinen wirklichen gemeinsamen Hintergrund gibt, mag es durchaus sein, das ein Spieler sich z.B. in Seiner rittellichen Darstellung im Sinne der Aufmachung an der Zeit des ersten Kreuzzuges orientiert, dennoch von anderen Mitspielern eher als Söldner wahrgenommen wird, weil er eben keine Platte trägt. Dennoch gebe ich Ralf im Grunde recht: das Auge ißt sozusagen mit und als erstes wird man i.d.R. einen optischen Eindruck gewinnen. Ist der nicht eindeutig, besteht natürlich immer noch die Möglichkeit, sich diesen rollenspielerisch zu verschaffen; es bleibt dabei jedem selbst überlassen, ob er sich diese Zeit und Spielmöglihkeit nehmen will oder nicht. Solange aber zumindest eine "MinimalGewandung" allgemein vorherrscht, wird man nicht zu sehr an die Realität erinnert und kann beginnen, das Spiel zu genießen.
Siehe auch LarpKlischees, ErkennbareGewandung oder FantasieStattDarstellung
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