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Rittertum

Eine kurze Zusammenfassung zum Rittertum

Es ist eine der ersten Pflichten, die dem Lehnsherren aus dem Vasallenvertrag erwachsen, die Söhne seiner Lehnsnehmer aufzunehmen und zu verköstigen. Dies ist eine Möglichkeit, Freigiebigkeit gegenüber den Vasallen zu beweisen, gleichzeitig aber auch ein Mittel, seinen eigenen Nachfolgern die Herrschaft über die heranwachsende Generation zu sichern.

Die Kinder der Vasallen werden schon sehr früh zum Lehnsherren geschickt (im Alter von ca. 8 Jahren). In der Gesellschaft der Söhne des Lehnsherren erlernen sie die Waffenfertigkeiten, und empfangen durch ihn die "Schwertleite" mit 16 bis 22 Jahren. Er stattet sie mit gleichzeitig mit seinen eigenen Söhnen mit Waffen aus und behält sie bei sich, bis das Lehen ihres Vaters an sie übergeht.

Der Hof des Lehnsherren ist dadurch die Schule der Ritterschaft. Die Besonderheit dabei: Sie dauert sehr lange, und die meisten verlassen sie nie. So gesellt sich zu den Heranwachsenden eine Anzahl erfahrener Gefährten hinzu, ehemalige "Schüler", die zu Ausbildern werden.

In dieser Form begibt sich der gesamte Hof auf das Schlachtfeld oder zum Turnier, die Jüngeren als "Knappen", welche Ersatzpferde mitführen und den Älteren die Waffen tragen und von ihnen lernen.

Die jungen Ritter werden dabei in Abhängigkeit von der Freigiebigkeit des Hofes gehalten, wodurch sich Spannungen zwischen den "Juvenis", den jugendlichen Rittern, und den "Seniores", den wirtschaftlich unabhängigen Älteren, den Verheirateten mit einem eigenen Hausstand, entwickeln. Ein steter Wettstreit, der Mutigste, Eifrigste, Leidenschaftlichste zu sein, ist im Gange, um möglichst früh die Hilfe des Lehnsherren in die Unabhängigkeit zu erringen, in einem Klima von Habgier und Eifersucht zwischen den unverheirateten "Jugendlichen" und den verheirateten "Erwachsenen", dem Vater, dem älteren Bruder, aber vor allem dem Lehnsherren.

Verschärft wird diese Situation durch die Primogenitur: Der älteste Erbe bekommt alles, die anderen sollen am besten ohne Nachkommen bleiben, bleiben daher zum ewigen Junggesellendasein verdammt, außer sie bekommen ein eigenes Lehen übertragen oder werden mit der Erbin eines verstorbenen Vasallen verheiratet. Denn nur so bleibt der von den Vorfahren überkommene Besitz unangetastet. Für die "Juvenis", die "Bacheliers", war dies die begehrenswerteste Belohnung in einem immerwährenden Wettstreit, für den der Hof die Bühne darstellte. Heirat bedeutete ersehnte Unabhängigkeit, ein Ende der "Jugend".

Das Umherziehen der Ritter gilt als notwendige Zusatzausbildung, als "studia militiae". Gewöhnlich stellt der Vater eines "Jungen", der sich auf Wanderschaft begibt, diesem einen Führer zur Seite, einen ebenfalls "jungen", aber erfahrenen Ritter. Im Allgemeinen gehören diese "Jungen" einer Gruppe von Freunden an. Diese "compagnie" (oder "maisnie") wird unmittelbar nach der Schwertleite von den jungen Kriegern zusammengestellt, die das Sakrament der Ritterschaft gemeinsam erhalten haben und weiterhin zusammenbleiben.

Meist schart die Gruppe sich um einen Anführer, der die "Jungen" an sich bindet, ihnen Waffen und Geld gibt. D.h. es sind die "jungen" Nachkommen der Vasallenfamilien eines Lehnsherren, dessen gerade zum Ritter gewordener Sohn die Führung übernimmt. Die väterlichen Bande der Vasallenschaft werden so von den Söhnen weitergeführt.

In die Struktur dieser Gruppe mischen sich Pagen, Knappen, Kleriker und Kurtisanen, alle miteinander "Juvenes", unverheiratete "Jugendliche".

Es geht fröhlich zu in diesen Gruppen, man liebt den Luxus, die Mimen, die Pferde und Hunde, die Sitten sind freizügig. Während die "Jungen" die Schwertleite empfangen, ist der begüterte Vater im Alter von etwa 50 Jahren durchaus noch in der Lage, seinen Besitz selbst zu verwalten, daher auch die Bereitschaft - auch aus Gründen der Schicklichkeit -, dem ältesten Sohn die Mittel zur Verfügung zu stellen, um nach der Zeremonie der Schwertleite einen Trupp junger Ritter um sich zu scharen und als deren Anführer ein oder zwei Jahre durchs Land zu streifen.

Kehrt der Sohn danach zurück, kommt es zu erheblichen familiären Spannungen, die oft dazu führen, dass er sich erneut auf die Reise begibt, bis man ihn zurückruft, wenn die Kräfte des Vaters nachlassen. Im Allgemeinen hält man es für normal, dass ein Sohn, solange er unverheirateter Ritter ohne eigenen Hausstand ist, sich davonmacht und das Weite sucht.

Noch schwieriger aber die Situation der anderen Söhne. Zwei oder drei können auf einträgliche Posten in der Kirche hoffen, die übrigen auf einen kleinen Teil des Erbes aus der mütterlichen Linie - allerdings nur im widerruflichen Besitz. Verheiratet wurde - und auch das nur zögerlich - nach Möglichkeit nur der älteste Sohn. Position, Ansehen und Lebensart begünstigen dabei auch noch die häufig verwitweten Väter, welche mit ihren eigenen Söhnen im Wettstreit um "gute Partien" liegen.

Jeder Hoffnung auf eine sichere Erbschaft beraubt, sehen die nachgeborenen Söhne also oft nur den Ausweg ins Abenteuer, in Wirklichkeit eine Suche nach heiratsfähigen Frauen. Eine compagnie ist beseelt von der Hoffnung, Heiratsmöglichkeiten für den Anführer aufzutun, welcher, sobald er selbst einen Hausstand gegründet hat, die Pflicht hat, seine Gefährten ebenfalls zu verheiraten. Immer hält man Ausschau nach der reichen Erbin - ein nicht völlig aussichtsloses Unterfangen, da durch die Kultur der umherziehenden compagnies, durch Turniere, Kriege, Krankheiten usw. häufig ganze Geschlechter aussterben, wenn alle männlichen Erben dezimiert sind.


Quelle: Georges Duby: Wirklichkeit und höfischer Traum, Weltbild des Mittelalterlichen Menschen


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