"Die endgültige Teilung der LARP-Szene ist unser Auftrag"
Diesen Spruch verwendete ich von Anfang 2003 bis Mitte 2006 als Signatur unter meinen Beiträgen im Larpinfo-Forum.
Vorbild dafür ist ein Motto, das Chlodwig Poth der Satirezeitschrift "Titanic" Anfang der 1990er-Jahre mal gab: "Die endgültige Teilung Deutschlands - das ist unser Auftrag".
Danach gefragt, in was denn die Szene aufgeteilt werden solle:
Gewandungscamper*innen, Polsterkampfsportler*innen und Knobelrätseldetektive;
Punkte-Powergamer*innen und DKWDK-Weltverbesserer;
- Paranoia-PvP-Hardliner*innen und Kuschel-Harmonie-Hippies;
- Fantasy-Mutantenstadl und Reenactment-Authentik-Puritaner*innen;
- Saufschotten und Hofschranzen;
- Brachialkonsequenzler*innen und Alle-haben-ihren-Spaß-Liberale;
- Plastazote und Evazote;
- Leute, die nicht verstehen, was eine Teilung der Szene soll und Leute, die sie für schon lange vollzogen halten.
Der Spruch ist natürlich nicht ganz ernst gemeint Der ernste Kern ist aber, daß ich darauf hinweisen möchte, daß es viele verschiedene Spielauffassungen gibt, die zwar alle ihre Daseinsberechtigung haben, aber nicht immer aufs gleiche Con passen. LARP ist nicht ein Hobby, es sind mindestens acht oder so. Ich betreibe etwa fünf davon.
Diese Erkenntnis ist IMHO noch viel zuwenig verbreitet. Deshalb geraten in den LarpForen oftmals Leute aneinander, die sich gegenseitig für Deppen halten, weil sie nicht erkennen, daß sie zwar von "LARP" reden, aber nicht das Gleiche meinen. So sind z.B. regelmäßig Leute überrascht über meine Auffassung zum Thema Charaktertod.
Wer aber seit Wochen, Monaten und Jahren die ewig gleichen Debatten im Netz kennt, dem ist klar, daß es höchst verschiedene Spielauffassungen gibt. Manch einer benimmt sich dementsprechend auch, wie die Strengen Gesellen aus dem gleichnamigen Lied von Hannes Wader.
Dennoch tauchen in diesen Debatten regelmäßig wieder Leute auf, für die es offenbar völlig überraschend kommt, daß ihr "Aber wir wollen doch alle..." nicht auf Konsens stößt. Und ich vermute immer noch, daß der Großteil der "Szene" keine Online-Diskussionen konsumiert. Ja, ich vermute sogar, daß viele nicht oft über ihre drei Standard-Orgas hinauskommen, die alle untereinander personell verflochten sind, und daher einen sehr begrenzten Blickwinkel haben. Das ging mir die ersten zwei Jahre auch so... Diese Leute sind es dann möglicherweise, die anecken bzw. unzufrieden mit einer unerwarteten Situation sind.
"LARP" ist keine homogene Sache. Leute gehen mit ganz unterschiedlichen Erwartungen und Zielsetzungen auf ein Con. Die "Teilung der LARP-Szene" ist mein etwas satirischer Hinweis auf die Tatsache, daß sich mancher Streit, der in den LarpForen ausgetragen wird, in Wohlgefallen auflösen würde, wenn man z.B. aufhörte, das alles "LARP" zu nennen und verschiedene Bezeichnungen für die unterschiedlichen Aspekte benutzen würde.
An genau der gleichen Frage scheitert auch regelmäßig die Debatte darüber, ob man nicht "allgemeingültige" Richtlinien darüber festlegen könne, was "gutes" Spiel sei, und wie die LARPer*in sich zu verhalten habe.
Bevor man sich auf die Suche nach Qualitätskriterien begibt, müßte man erst einmal den Gegenstand, dessen Qualität man messen will, genau beschreiben. Schon dabei aber kommt man doch, wie wir schon oft gesehen haben auf keinen grünen Zweig.
Wenn aber die Begriffsbildung, was LARP sei schon derart diffus ist, daß jeder letztlich etwas anderes meint, wenn er davon spricht, ist die Suche nach allgemeingültigen Qualitätsmaßstäben von vorne herein zum Scheitern verurteilt.
Selbst wenn sich die Teilnehmer*innen der LarpForen auf einen LARP-Knigge einigen könnten (was ich bezweifle): wer würde glauben, daß diese Richtlinien "da draußen" irgendwas bewirken würden? Wie würde man die Richtlinien durchsetzen wollen?
Doch endlich die so oft vermißte LARP-Polizei?
Natürlich bin ich nicht wirklich für eine harte Aufteilung des Hobbies, aber ich habe schon das Gefühl, daß zu viele Leute davon ausgehen, daß es einen wohldefinierten Begriff "LARP" gebe, und das jedem klar sein müsse, was genau dieser beinhalte. Anders läßt sich z.B. nicht erklären, warum Orgas so wenig Wert darauf legen, genau zu beschreiben, welchen Stil sie pflegen und warum Spieler*innen da wo solche Beschreibungen existieren so wenig darauf achten, diese zur Kenntnis zu nehmen. Die Orga hat sich mglw. gar keine Gedanken über Stilfragen gemacht (weil ja alles klar ist, man macht ja LARP, wir wollen doch alle...), oder will es allen recht machen. Das Problem wird mglw. erst erkannt, wenn es zu spät ist.
Wenn man sich klar macht, daß es verschiedene Stile gibt, kann man auch Kompromißbereit sein, wenn man auf einem vielleicht nicht ganz so passenden Con ist. Mitspielen und nicht wiederkommen. Wenn man aber gar nicht ahnt, daß es verschiedene Ansätze gibt, bleibt nur der Unmut über all die Deppen, die's vermeintlich nicht kapiert haben.
Das Problem ist m.M.n., daß man keine Kompromisse eingehen kann, bevor man sich klar gemacht hat, daß es unterschiedliche Positionen gibt, die einen Kompromiß erforderlich machen.
Womit ich nicht sagen will, daß es nicht auch tatsächlich Deppen gibt, die's nicht kapiert haben
Es geht ja auch noch nicht einmal darum, daß sich die Vertreter*innen verschiedener Spielstile hart aus dem Weg gehen müßten. Es ist noch nicht einmal so, daß die Gruppen notwendigerweise disjunkt sind. Dieselbe Spielerin läßt sich ja ggf. sowohl auf Kampfsau-Schlachtencons als auch auf Baumumarmer-Kuschelcons ein, wenn sie nur vorher gesagt bekommt, was sie erwartet. Der Spruch von der Teilung der LARP-Szene ist vor allem deshalb nicht wörtlich zu nehmen, weil die Abgrenzungen der einzelnen Teilbereiche sowohl inhaltlich als auch personell sehr diffus sind. Man sollte nur einfach mal einsehen, daß LARP nicht immer gleich LARP ist.
Das Problem ist, daß es zu vielen noch nicht klar ist, daß es verschiedene Dinge gibt, die alle LARP heißen.
Solange sich Leute nicht blöd dabei vorkommen, in den LarpForen mit Formulierungen wie "Schließlich wollen wir alle..." zu argumentieren, sehe ich noch nicht, daß das Reden zum gewünschten Ergebnis führt, weil man das eigentliche Problem nicht erkennt, glaubt, über dasselbe zu reden und (sich gegenseitig für bekloppt haltend) weiter mit verschiedenen Erwartungshaltungen auf die Veranstaltungen rennt, wo man den unverstandenen Konflikt dann am Besten noch IT austrägt.
Um dieser Tendenz entgegenzuwirken, benutze ich den Spruch von der Teilung.
Angenommen, da gäbe es ein Netzforum für Ballsport.
In dem gibt es die herrlichsten Flamewars, weil die einen der Meinung sind, den Ball mit der Hand zu spielen sei krank, wärend die anderen finden, den Ball mit dem Fuß zu berühren sei reine Schummelei. Wieder andere kommen gar nicht damit zurecht, einen Ball ohne Schläger zu bewegen.
Außerdem treffen sie sich alle zum "Ballspielen" und geraten gelegentlich in wüsten Streit, weil die jeweils anderen total kranke Ansichten über das Ballspiel haben.
Jetzt gibt es da einen, nennen wir ihn G., der (mit einigen anderen) darauf hinweist, daß man vielleicht besser klarkäme, wenn man sich vor der Debatte und vor jedem Spiel klarmachen würde, ob man Handball, Fußball oder Tennis spielen will. Außerdem schreibt G., daß er am liebsten Handball spielt.
D. spielt nur Fußball, findet Handball doof, und fragt sich, was G. auf dem Fußballplatz will. G. aber findet, daß Handball zwar optimal ist, sieht aber ein, daß man nicht überall Handball spielen kann und daß man auch als Handballer leidlich auf dem Fußballplatz zurecht kommt, solange man dort Fußball spielt, und nicht laufend darüber meckert, wie bescheuert man hier "Ball" spielt.
Durchgeknallte ethnische Minderheiten sollen sogar mit Hurling zurechtkommen.
-- RalfHüls, 22.12.2003
Im Mai 2019 erzählte Opa mal wieder vom Krieg und jemand merkte an, ich sei ja wohl noch nicht so alt wie Moses. Daher unten nochmal ein Bild zur Klarstellung. -- RalfHüls 2019-05-17 20:09:27